Der von dem Historiker Jerzy Jedlicki 1987 verfasste Essay „Erbe und kollektive Verantwortung“ entstand in Polen in einer Atmosphäre einer allmählichen Öffnung der Gesellschaft für die Komplexität und Diversität der eigenen Vergangenheit, die während der staatssozialistischen Zeit nur wenig öffentlich verhandelt werden konnte. Jedlicki fragte in seinem Essay, welches Erbe und welche Verantwortung eine Gemeinschaft annimmt – eine Frage von anhaltender Aktualität, können doch Erinnerungsprozesse niemals abgeschlossen und Vergangenheit nicht „bewältigt“ werden, weil jede Generation ihr Verhältnis zur Vergangenheit neu definiert. Dies geschieht stets in einer Auseinandersetzung mit der Gegenwart, denn das Verhältnis zur Vergangenheit, so Jedlicki, sei ein unverzichtbarer Bestandteil des Gefühls kollektiver Identität. Für Jedlicki war es klar, dass Gemeinschaften und Institutionen die jeweilige Vergangenheit in Gänze erben und er hielt es für unmöglich, nur die positiven Traditionen zu übernehmen: Eine Gemeinschaft sei verpflichtet, sich auch den „Schulden“ aus der Vergangenheit zu stellen und sie zu regulieren.
Wir danken Magdalena Bocheńska-Chojecka für ihr Einverständnis zur Veröffentlichung dieser Übersetzungen aus dem Buch von Jedlicki.