Narrative im Streit. Geschichtswissenschaft(en) in der baltischen Region 1800-2018
Nicht zuletzt seit Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ist die Bedeutung widerstreitender Geschichtsbilder oder Narrative für die Identitätsbildung einer Region oder eines Staates bis hin zur Instrumentalisierung als Mittel einer hybriden Kriegsführung offenkundig geworden. Der Geschichtswissenschaft kann dabei eine gewichtige Funktion – aufklärend oder verklärend – zukommen.
In der baltischen Region, gegenwärtig im engeren Sinne in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, überlagern sich seit Entstehung einer akademisch geprägten Geschichtswissenschaft um 1800 unterschiedliche Narrative, historiografische Schulen und public histories, häufig gekoppelt an widerstreitende Nationsbildungsprozesse, ethnische Identitätsstiftungen oder Macht- und Systemwechsel. In der baltischen Region ist die Geschichte der Geschichtswissenschaft(en) besonders komplex und aufschlussreich. Exemplarisch können hier die deutschbaltische Historiografie, die Nationalgeschichtsschreibungen der Esten, Letten und Litauer oder die imperiale Geschichtsschreibung Russlands mit ihren jeweiligen epistemologischen und narrativen Ansprüchen genannt werden.
Der Workshop diskutiert anhand einzelner Fallbeispiele die unterschiedlichen Akteure dieser Geschichte(n) (Historiker, Institutionen u. a.) in ihren Wechselbeziehungen zu den jeweiligen wissenschaftlichen, politischen und ideologischen Herausforderungen ihrer Epoche und versucht Leitfragen herauszuarbeiten, die an eine integrative Geschichte der Geschichtswissenschaft(en) in der baltischen Region gestellt werden könnten.
Donnerstag, 19. Januar 2023
14:30 Uhr Begrüßung / Einführung
Prof. Dr. Joachim Tauber / Detlef Henning
15:00 – 16:30 Uhr Epochen und Herausforderungen
Detlef Henning: Die lettische Historiographie von den Anfängen bis 1945
Ilgvars Misāns: 30 Jahre auf freiem Fuß. Die Geschichtswissenschaft in Lettland 1988 – 2018
17:00 – 19:00 Uhr Akteure: Historiker und Institutionen
Maike Sach: Nationale Geschichte in vergleichender Perspektive. Robert Iu. Vipper (1859 – 1954) und die deutschbaltische Historiographie während der Zwischenkriegszeit
Paula A. Oppermann: Vilis Samsons (1920 – 2011): Lette, Kommunist, Politiker, Historiker
Freitag, 20. Januar 2023
09:00 – 10:30 Uhr Diskurse
Karsten Brüggemann: „Licht und Luft des Imperiums": Der russische Nationalismus und die Geschichte der Ostseeprovinzen im späten Zarenreich
Darius Staliūnas: Widerstand im 19. Jahrhundert als litauischer Erinnerungsort
11:00 – 12:30 Uhr Reichweiten
David Feest: Wie viele baltische Geschichten gibt es? Ein Plädoyer für einen integrierten Ansatz
Ralph Tuchtenhagen: „Baltische Geschichte“, „Geschichte der Baltischen Länder“, "Geschichte des Baltikums“ ….? Einige prinzipielle Überlegungen
12:30 – 13:00 Uhr Schlussgespräch
Perspektiven einer internationalen Fachtagung?
Nordost-Institut (IKGN e. V.)