Umgang mit jüdischem und deutschem Eigentum und Kulturerbe im Nachkriegspolen
Einleitende Bemerkungen
Die Verluste und Zerstörungen, Grenzverschiebungen und Vertreibungen von großen Bevölkerungsgruppen im und nach dem Zweiten Weltkrieg sind bis heute ein vielbeachtetes und immer wieder beschriebenes Thema. Weniger präsent war bis in die jüngste Zeit der Umgang mit dem hinterlassenen jüdischen und deutschen Eigentum und Kulturerbe in Polen. Das Modul will mit mehreren Texten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Polen bzw. im deutsch-polnisch-israelischen Wissenschaftsbetrieb entstanden sind, eine Annäherung an dieses Thema versuchen. Präsentiert werden Texte, die bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden sind bzw. nur an entlegenen Orten veröffentlicht wurden. Die Onlinepräsentation der Übersetzungen will dazu beitragen, dass diese Auseinandersetzungen mit den materiellen Folgeerscheinungen der Shoah und des Krieges in Polen auch im deutschsprachigen Raum bekannter werden und damit zu einem wissensbasierten sensibleren Umgang mit diesem Thema anregen.
Ausgangspunkt ist ein Essay des Krakauer Literaturwissenschaftlers Kazimierz Wyka unter dem Titel „Gospodarka wyłączona“ [Die abgekoppelte Wirtschaft], der bereits kurz nach Kriegsende in Polen erschien und seitdem immer wieder als Referenzpunkt für die Auseinandersetzung mit den psychischen und materiellen Folgen des Krieges diente.
Im Anschluss an die hier erstmalig vorgelegte deutsche Übersetzung von Wykas Essay werden zwei solcher „Folgearbeiten“ präsentiert. Dabei handelt es sich zum Einen um einen Beitrag aus dem Sammelband mit dem Titel „Klucze i kasa“ [Schlüssel und Kasse], der ein Zitat aus Wykas Essay darstellt und metaphorisch darauf anspielt, dass viele Polen die Läden und Kassen bzw. Häuser ihrer von den Deutschen ermordeten jüdischen Nachbarn übernommen haben. Alina Skibińska untersucht in diesem Zusammenhang Versuche der Rückgabe von Immobilien an jüdische Überlebende bzw. deren Erben und den politisch-juristischen Umgang mit Immobilieneigentum zwischen 1945 und 1950.
Zum anderen wird ein Beitrag von Maria Rutkowska vorgelegt, der den zwischen Plünderung, Zerstörung und Bewahrung schwankenden Umgang mit dem von den Deutschen hinterlassenen Kulturgütern in den neuen polnischen Nord- und Westgebieten in der untermittelbaren Nachkriegszeit schildert.
Den Abschluss bildet ein Beitrag von Matthias Barelkowski und Claudia Kraft, der im Rahmen eines deutsch-israelischen Projektes entstanden und ursprünglich auf Französisch veröffentlicht ist und sich mit den verschlungenen Wegen der Eigentumsverschiebungen in Polen, den Versuchen zur juristischen Regelung dieser Fragen, deren Auswirkungen auf die sich nach 1945 neu formierende polnische Gesellschaft sowie dem medialen Umgang damit beschäftigt.