Umgang mit jüdischem und deutschem Eigentum und Kulturerbe im Nachkriegspolen
3. Einleitende Bemerkungen
von Agnieszka Pufelska
Zur Politik des Umgangs mit dem deutschen Kulturerbe
in den Westgebieten Polens (1945–1950)
von
Maria Rutkowska
Mehr als sieben Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges will Polen noch einmal versuchen, Reparationszahlungen für die von Deutschland verursachten Schäden zu erhalten. Nach polnischen Berechnungen belaufen sich die Kriegsschäden auf etwa 800 Milliarden Euro. Deutschland hält das Thema für rechtlich und politisch abgeschlossen, denn die Frage der Reparationen sei in mehreren Verträgen geregelt worden. Zudem, so das gängige Argument, hätte Polen einen materiellen Ausgleich durch die Westverschiebung seiner Grenzen erhalten. Die Gebiete in Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Nieder- und Oberschlesien, die zu Polen kamen, seien ökonomisch besser entwickelt gewesen als die Ostgebiete, die Polen an die Sowjetunion verlor.
Die Debatte ist nicht neu, bereits 2004 hatte das polnische Parlament, unter dem Einfluss nationalistischer Parteien, die damalige Regierung dazu aufgefordert, für die Schäden im Zweiten Weltkrieg Reparationszahlungen von Deutschland zu verlangen. Dem Parlamentsbeschluss waren allerdings Forderungen deutscher Vertriebener vorangegangen. Die Preußische Treuhand wollte Ansprüche einer kleinen Gruppe deutscher Vertriebener und Umsiedler vor polnischen und europäischen Gerichten geltend machen. Die polnische Regierung erklärte daraufhin, allein die Bundesregierung sei für die Entschädigung der deutschen Vertriebenen und Umsiedler aus Polen zuständig. Auch lehnte sie alle Entschädigungsansprüche von ehemals polnischen Staatsbürgern (Spätaussiedler), die nach ihrer Ausreise in die Bundesrepublik enteignet worden waren, ab.
Die ehemaligen deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie, die die kommunistischen polnischen Behörden als „Wiedergewonnene Gebiete“ (Ziemie Odzyskane) bezeichneten, wurden tatsächlich als Teil der Kriegsreparationen und „Wiedergutmachung“ für die von der Sowjetunion annektierten polnischen Ostprovinzen angesehen. Der polnische Staat enteignete durch mehrere von 1945 bis 1946 erlassene Vorschriften formal deutsches Eigentum, das im Zuge der Evakuierung oder Vertreibung zurückgelassen worden war. Die Enteignungsvorschriften betrafen land- und forstwirtschaftliche Flächen, Industrie und Unternehmen sowie sonstiges ehemals deutsches Eigentum, darunter auch viele Kulturgüter. Die bis heute ungelöste Frage nach dem rechtmäßigen Besitzer der in Krakau aufbewahrten Bestände der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek, umgangssprachlich auf Polnisch „Berlinka“ genannt, illustriert vielleicht am besten die Spannungen im deutsch-polnischen Verhältnis hinsichtlich Eigentum und Erinnerung.
Die Staatlichen Museen zu Berlin und die Preußische Staatsbibliothek lagerten während des Zweiten Weltkrieges große Teile ihrer Bestände an Orte außerhalb Berlins aus. Sie sollten damit vor den alliierten Luftangriffen geschützt werden. Zahlreiche Auslagerungsorte in den deutschen Ostgebieten gehörten jedoch nach Kriegsende zum (neuen) Staatsgebiet Polens. Die polnische Seite geht somit davon aus, dass mit der Übertragung der Hoheit über das Staatsgebiet alle dorthin verlagerten Kulturgüter polnisches Eigentum geworden seien. Nach deutscher Rechtsauffassung gehören diese Bestände jedoch weiterhin den Einrichtungen, die sie ausgelagert haben. Hinzu kommt, dass Polen auch moralische Argumente ins Spiel bringt und die „Berlinka“ als Kompensation für die im Krieg geraubten und bis heute nicht restituierten polnischen Kulturgüter ansieht.
Wie alle anderen durch Nazi-Deutschland besetzten Länder fiel auch Polen einer Kulturraubpolitik zum Opfer. Im Gegensatz zu den westlichen Ländern wie Frankreich oder Belgien, wo vor allem der jüdische und nicht der staatliche Kulturbesitz enteignet und geraubt wurde, erlitten die polnischen Kulturinstitutionen jedoch erhebliche Verluste. Mit der deutschen Besatzung begann eine massive Plünderung und Zerstörung von polnischen Kulturgütern. Angesichts dieser gewaltigen und unwiederbringlichen Verluste erhob die polnische Regierung gleich nach dem Krieg Restitutions- und Rückführungsansprüche an die deutsche Seite. Beansprucht wurde allerdings nicht nur die Rückgabe der geraubten Kunst- und Kulturgegenstände aus den okkupierten Gebieten, sondern auch der ausgelagerten Kulturgüter aus den ehemals deutschen Territorien, die nach 1945 Teil Polens geworden waren. In den meisten Fällen bleiben die Verhandlungen bis heute ergebnislos.
Die anhaltende Pattsituation hat ihre Ursache zum Teil in der fehlenden rechtlichen Grundlage. Lediglich im deutsch-polnischen Vertrag aus dem Jahr 1991 wurde die Frage allgemein abgehandelt. Die zwei Absätze im Artikel 28 besagen:
„(2) Die Vertragsparteien werden sich der auf ihrem Gebiet befindlichen Orte und Kulturgüter, die von geschichtlichen Ereignissen sowie kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen und Traditionen der anderen Seite zeugen, besonders annehmen und zu ihnen freien und ungehinderten Zugang gewährleisten beziehungsweise sich für einen solchen Zugang einsetzen, soweit dieser nicht in staatlicher Zuständigkeit geregelt werden kann. Die genannten Orte und Kulturgüter stehen unter dem Schutz der Gesetze der jeweiligen Vertragspartei. Die Vertragsparteien werden gemeinsame Initiativen in diesem Bereich im Geiste der Verständigung und der Versöhnung verwirklichen. (3) Im gleichen Geiste sind die Vertragsparteien bestrebt, die Probleme im Zusammenhang mit Kulturgütern und Archivalien, beginnend mit Einzelfällen, zu lösen.“
Trotz dieser nun bald 30 Jahre alten Vorsätze, kommen die deutsch-polnischen Verhandlungen und Gespräche über Verbleib und weiteres Schicksal der geraubten Kulturgüter nicht voran, weil sich die Vertragsparteien auf den Einzelfall „Berlinka“ konzentrieren und unnachgiebig auf ihren Rechtspositionen beharren. Diese kostbare und einmalige Sammlung wird von der deutschen Seite als das einzige Tauschmittel für alle Kunstobjekte betrachtet, die von den Nazis aus polnischen staatlichen und privaten Sammlungen geraubt worden waren und sich heute in öffentlichen Sammlungen Deutschlands befinden. Die polnische Kunsthistorikerin Nawojka Cieślińska-Lobkowicz bezeichnet die dadurch entstandene und scheinbar unlösbare Konstellation als „’Pathologie’, angefüllt mit konkurrierenden nationalen Erinnerungen voller nicht verheilter Wunden und Ressentiments, mit unerfüllten alten Ansprüchen und zu erfüllenden neuen Wunschvorstellungen, widersprüchlichen politischen und nicht zuletzt materiellen Interessen, populistischen Losungen, juristischem Taktieren, bürokratischen Prozeduren und medialer Desinformation.“
Die „pathologische“ Fixierung auf die „Berlinka“-Debatte entkräftet auch die wenigen Versuche einer differenzierten Intervention von Geschichtsexpertinnen und -experten in ein politisches Feld, das durch weiche Bestimmungen und harte Kontroversen geprägt ist. Eine historisierende Sicht auf das Problemfeld von Restitution und Erinnerung steht somit noch aus.
Umso mehr ist der hier präsentierte Beitrag von Maria Rutkowska zu begrüßen, der den polnischen Umgang mit dem deutschen Kulturerbe in der unmittelbaren Nachkriegszeit thematisiert. Im ersten Teil ihrer Analyse gibt sie einen aufschlussreichen Überblick über die administrativen und rechtlichen Grundlagen, die die Tätigkeit der polnischen Verwaltung in den ehemals deutschen Gebieten regelten. Die Beziehung der polnischen Seite zu den dort vorgefundenen deutschen Kulturgütern beleuchtet der zweite Abschnitt und macht dabei deutlich, dass es durchaus differente Stellungnahmen und Umgangsformen gab. Diese wurden häufig von der Nützlichkeit und ästhetischen Dimension der Kulturgüter bestimmt und nicht von der angeordneten antideutschen Stimmung. Was konkret mit dem ehemals deutschen Kunst- und Kulturgegenständen im kriegszerstörten Land passiert ist, schildert Rutkowska im dritten und vierten Teil ihres Aufsatzes. Zunächst geht sie auf museale Objekte ein und beschreibt den Prozess ihrer Sicherstellung in den speziell dafür eingerichteten Sammelstellen. Ein ähnliches Vorgehen lässt sich auch im Umgang mit Buch- und Archivbeständen feststellen. Nach der Sicherstellung und einer vorübergehenden Lagerung in zentralen Sammelstellen in Warschau, Krakau oder Danzig wurden sie zum großen Teil an mehrere regionale Institutionen wie Universitäts- und Stadtbibliotheken, Archive oder Forschungsinstitute verteilt. Im letzten, fünften, Teil ihres Artikels beschreibt Rutkowska die Anpassung der deutschen musealen Einrichtungen an die polnische Museumslandschaft. Auffällig ist dabei, dass in den ehemals deutschen Gebieten eine umfassende und kontrollierte Museumspolitik betrieben wurde, die darauf abzielte, die übernommenen Museen möglichst schnell zu polonisieren und ihr Profil der Ideologie von den „Wiedergewonnen Gebieten“ anzupassen.
Mit ihrem Beitrag greift Rutkowska ein wichtiges Thema auf, das Zündstoff für anhaltende erinnerungspolitische Debatten liefert. Die ehemals deutschen Kulturgüter sind nach 1945 de facto zum deutsch-polnischen Kulturerbe geworden. Ein gemeinsames Kulturerbe bedeutet, sich in die dialogische Auseinandersetzung zu begeben. Diese sollte Rechenschaft darüber ablegen, woher und unter welchen Umständen bestimmte Kulturgüter nach Polen gekommen sind und was dies damals ebenso wie heute für die Gesellschaften beider Länder bedeutet. Letztlich geht es also darum, allen Beteiligten klar zu machen, dass die deutsch-polnische Geschichte in den ehemals deutschen Gebieten unteilbar ist. Dies erfordert auch die Einsicht, dass ambivalente Sichtweisen ausgehalten und akzeptiert werden müssen.
3.1 Zur Politik des Umgangs mit dem deutschen Kulturerbe in den Westgebieten Polens (1945–1950). Ein Überblick
Im Ergebnis der Konferenz von Potsdam fand in Mittel- und Osteuropa ein massiver Bevölkerungsaustausch statt, der dazu führte, dass das Eigentum und kulturelle Erbe der bisherigen Einwohner zurückblieb. Dies betraf auch die polnischen West- und Nordgebiete, auf denen die von dort vertriebenen Deutschen einen Großteil ihrer materiellen immobilen und mobilen Kulturgüter zurückgelassen hatten. Viele der Ersteren wurden während der Kriegshandlungen zerstört, andere durch die einmarschierende Sowjetarmee, die anschließend auch einen Großteil der beweglichen Kulturgüter raubte. Die Sowjets waren der Auffassung, dass die eroberten deutschen Städte es nichts anders verdient hatten. Als Beispiele lassen sich hier die z.T. gezielte Zerstörung von Teilen der Innenstädte von Danzig, Oppeln, Landsberg an der Warthe, Stolp oder Stettin anführen. Im Ergebnis übernahmen die Polen, die sich dort bald darauf ansiedelten nur einen kleinen Teil des deutschen kulturellen Erbes, der von Kriegszerstörungen und Plünderungen verschont geblieben war.
Die Übernahme der ehemals deutschen Gebiete durch die polnische Verwaltung erfolgte 1945 noch während der Kriegshandlungen weiter westlich, weshalb die sowjetischen Truppen das Geschehen bestimmten und die polnischen Behörden nur begrenzt wirken konnten. Es existierten noch keine Kompetenzabgrenzungen und auch keine Bestimmungen, welches Eigentum von wem und wie sicherzustellen ist.
Im Zeitraum Frühling bis Herbst 1945 war der Gesamtkomplex der Westgebiete dem Ministerium für öffentliche Verwaltung [Ministerstwo Administracji Publicznej, MAP] unterstellt. Dort entstand am 11. April 1945 das Amt des Generalbevollmächtigten für die Wiedergewonnenen Gebiete. Erster Amtsinhaber war Edward Ochab, Mitglied des Zentralkomitees der Polnischen Arbeiterpartei [Komitet Centralny Polskiej Partii Robotniczej, KC PPR], der gleichzeitig das MAP leitete.
Nach der Schaffung der Vorläufigen Regierung der nationalen Einheit wurde das Ministerium von Władysław Kiernik übernommen, einem Mitglied der engeren Führung der Polnischen Bauernpartei [Polskie Stronnictwo Ludowe, PSL], die in Opposition zur PPR stand. In der Führung der PPR gab es deshalb seit diesem Moment Bestrebungen, die Institutionen, die sich mit den Wiedergewonnenen Gebieten befassten, zu zentralisieren. Schließlich waren diese Gebiete für die kommunistische Partei ein grundlegendes Argument im politischen Kampf mit der Opposition, das man sich nicht aus der Hand nehmen lassen wollte. Die Schaffung eines eigenen Ministeriums für die Wiedergewonnenen Gebiete forderten auch die Führungen des Polnischen Westverbandes [Polski Związek Zachodni, PZZ], die Demokratische Partei [Stronnictwo Demokratyczne, SD] sowie das neu eingerichtete Büro für die Westgebiete.
Tatsächlich kam es im Oktober 1945 auf dem Plenum des KC der PPR zu dem Beschluss, zum 13. November 1945 ein Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete (MZO) zu bilden, an dessen Spitze der Generalsekretär des PPR Władysław Gomułka stehen sollte, der gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident war. Damit war die Machtübernahme und die Durchsetzung der sogenannten „revolutionären gesellschaftlichen Veränderungen“ durch die kommunistische Partei auch in diesen Gebieten gesichert. Zu den Aufgaben des neuen Ministeriums gehörte vor allem die Ausarbeitung von Richtlinien für die staatliche Politik in den neuen Gebieten, die Durchführung von Aussiedlungen der Deutschen und Neuansiedlungen von Polen, die Verwaltung des ehemals deutschen Eigentums sowie die Verwaltung des Gebietes insgesamt. In der Organisationsstruktur des Ministeriums gab es auch Organe mit Spezialaufgaben. Dazu zählte u.a. das Büro für Ansiedlungs- und Umsiedlungsstudien sowie der Wissenschaftsrat für die Probleme der Wiedergewonnenen Gebiete.
Das Dekret vom 13. November 1945 bestimmte zudem den Minister für die Wiedergewonnenen Gebiete zum Besitzer des Gesamtvermögens in diesen Gebieten, so dass von nun an alle Resorts und Behörden ihre Politik mit ihm abstimmen mussten. Auf diese Art und Weise erlangte die PPR praktisch unbegrenzten Einfluss auf die anderen Behörden im Bereich von deren Tätigkeit in den neuen Gebieten.
Die Konfiszierung des ehemals deutschen Eigentums fand in den ersten Nachkriegsjahren auf unterschiedliche Art und Weise statt, jeweils abhängig von der Art des Eigentums. Der erste Rechtsakt in dieser Hinsicht war das Gesetz vom 6. Mai 1945 über verlassenes und aufgegebenes Vermögen. Als verlassenes Vermögen im Sinne des Gesetzes wurde allgemein Vermögen bezeichnet, dass sich nicht im Besitz des Eigentümers befand. Als aufgegebenes Vermögen wurden alle beweglichen und unbeweglichen Güter bezeichnet, die Eigentum des deutschen Staates, deutscher Staatsbürger oder von Personen waren, die zu den Deutschen übergelaufen waren, selbst dann, wenn sich dieses Eigentum schon in den Händen Dritter befand. Das Gesetz nahm jedoch nicht die formale Konfiszierung des Vermögens vor, sondern ließ diese Frage noch in einer gewissen Schwebe, da die territoriale Zuständigkeit des polnischen Staates noch nicht geklärt war. Bis zur Übergabe des Gebietes bis zur Oder und Neiße am 2. August 1945 auf der Konferenz von Potsdam war diese Gebiete formal noch von der Sowjetunion annektiert.
Die formale Konfiszierung des deutschen Besitzes erfolgte erst durch das Dekret vom 8. März 1946 über verlassenes und ehemals deutsches Vermögen, auf Grund dessen sämtliches Vermögen des Deutschen Reiches und der ehemaligen Freistadt Danzig sowie deren Staatsbürgern (mit Ausnahme von dort lebenden Polen und anderer verfolgter Gruppen) an den polnischen Staat fiel. Das Dekret galt für das gesamte neue Staatsgebiet Polens und bestätigte bisherige Rechtsakte, die seit Mitte 1944 gesellschaftlich-ökonomische Reformen eingeführt hatten. Dies betraf vor allem die Bodenreform vom 6. September 1944, die sämtliche Güter von Staatsbürgern des Deutschen Reiches, Nicht-Polen sowie polnischen Staatsbürgern deutscher Nationalität umfasste, unabhängig von der Größe dieser Güter und ohne Entschädigung.
Zuständig für die Erfassung des deutschen Vermögens und seine Übergabe an polnische staatliche Organe bzw. Privatpersonen wurde mit dem Dekret vom 8. März 1946 das Główny Urząd Likwidacyjny [Hauptliquidationsamt, GUL], welches die bisher zuständige Vorläufige Staatsverwaltung [Tymczasowy Zarząd Państwowy, TZP] ablöste.
Das GUL unterstand zwar dem Schatzministerium, jedoch waren alle Liquidationsämter in den neuen Staatsgebieten dem Minister für die Widergewonnenen Gebiete unterstellt, was die Kompetenzen des Schatzministeriums in diesen Gebieten entsprechend beschnitt. In den West- und Nordgebieten Polens entstanden in der Folge 5 Bezirks- und 82 Kreisliquidationsämter. Ausgegliedert aus der Zuständigkeit der Ämter waren Gegenstände von speziellem Wert. Dazu gehörten Kunstwerke, antike Möbel sowie Luxusgegenstände, die im Prinzip nicht verkauft werden durften, sondern den entsprechenden Abteilungen im Ministerium für Kunst- und Kultur übergeben werden sollten. Sämtliche Gegenstände aus Edelmetall, teure Steine, Schmuck, Münzen und Wertpapiere waren an die Nationalbank zu übergeben. Wertvolle Musikinstrumente waren ebenfalls an das Kultusministerium zu überstellen, Bücher und andere gedruckte Werke durften hingegen weitervermittelt werden, wenn sie den kulturellen Bedürfnissen der Empfänger entsprachen.
Über den Abtransport von beweglichen Gütern aus den neuen Gebieten entschieden nicht die Liquidationsämter, sondern diese konnten nur entsprechende Anträge beim MZO stellen.
In der Praxis stellte sich die Situation jedoch sehr viel dramatischer und chaotischer dar. Unmittelbar hinter den weiter nach Westen vorrückenden sowjetischen und polnischen Truppen strömten viele Personen ins Land, die das praktisch ohne Bewachung und Schutz daliegende Vermögen der geflüchteten Deutschen plünderten. Dieser Zustand dauerte praktisch über das ganze Jahr 1945 an, in dem sehr viele Wertgegenstände abtransportiert wurden. Die aus verschiedenen Richtungen einströmende polnische Bevölkerung fühlte sich weder für den Schutz noch für eine schonende Behandlung der deutschen Kulturgüter verantwortlich.
In diesem Zeitraum machte der Begriff „szaber“ [am ehesten zu übersetzen mit Plünderung; Anmerkung M. B.] eine große Karriere. Geplündert wurde alles, was sich mitnehmen ließ, darunter auch Kunstwerke und Kunsthandwerk. Der enorme Umfang dieses Phänomens lässt nicht einmal eine annähernde Schätzung dessen zu, was auf diese Weise aus den deutschen Museen, Kirchen, Palästen, Gutshöfen, Häusern und Wohnungen geraubt wurde.
Die fachliche Qualifikation sowie die ethische Haltung eines Großteils der neu eintreffenden Partei- und Verwaltungskader ließ ebenfalls viel zu wünschen übrig. Die niedrige Entlohnung und das Gefühl, bedroht zu werden, führten zudem zu einem Amtsverzicht vieler qualifizierter Beamter und zu enormer Korruption und Amtsmissbrauch unter den verbleibenden Kadern. Dadurch konnten auch ohne große Schwierigkeiten Genehmigungen zum Abtransport von allen möglichen Gütern aus den neuen Gebieten erlangt werden.
Wie stark die Personalfluktuation in den ersten Nachkriegsjahren war, lässt sich beispielsweise daran ablesen, das die Leitung des Bezirksliquidationsamtes in Breslau innerhalb nur eines Jahres fünf Mal wechselte.
Der erste Rechtsakt, der generell den Abtransport von beweglichen Gütern aus den neuen Gebieten untersagte, war ein Rundschreiben des Vorsitzenden des Ministerrats vom 21. November 1945. Ziemlich lapidar formuliert, werden darin keine konkreten Arten von Gegenständen aufgelistet, die vom Verbot betroffen sind, keine Kontrollinstanzen benannt und auch keine Strafen für Verstöße festgelegt. Erst die Verordnung des MZO vom 22. Februar 1946 stellte einen Akt zur Normierung dieses Problems dar. Das Ausfuhrverbot betraf nun alle beweglichen Güter mit Ausnahme von Reiseverpflegung und Lebensmitteln.
Dennoch nahm die Ausfuhr von Gütern jeglicher Art, insbesondere aus Schlesien, keineswegs ab, weder durch gewöhnliche Plünderer, noch durch die Vertreter diverser Ministerien, den sogenannten „offiziellen Plünderern“. Letztere erschienen mit Dokumenten, die den Bedarf an diversen Gegenständen bestätigten, was wiederum das MZO zur Herausgabe einer weiteren Verordnung zwang, die am 24. Mai 1946 veröffentlicht wurde und die Einsetzung eines Hauptinspektorats für Liquidierungsaktionen des Ministeriums mit Sitz in Breslau verfügte. Zu den Aufgaben des Inspektorats gehörte u.a. die Bekämpfung der illegalen Ausfuhr von Gütern sowie die Erteilung von entsprechenden Genehmigungen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1947 wurde zudem eine Reihe von Punkten zur Kontrolle von Gepäck und Dokumenten an den Hauptausfallstraßen der neuen Gebiete sowie an Eisenbahnknotenpunkten geschaffen.
Entschieden bekämpft wurden die Handlungsweise der „offiziellen Plünderer“ von den Mitgliedern und Organen des PZZ, die immer wieder von der Regierung die Behandlung der Westgebiete als Terrain zur Bewirtschaftung und Polonisierung einforderten und sich gegen eine reine Ausbeutung stellten.
Die These von der „Wiedergewinnung“ dieser Gebiete sollte vor allem die Unsicherheiten und Befürchtungen von neu angesiedelten Polen zerstreuen, die eine Rückgabe an Deutschland befürchteten. Zu diesem Zweck mussten slawische Wurzeln und piastische Traditionen auf diesen Gebieten wiederentdeckt werden, was in der Praxis bedeutete, alle deutschen Spuren zu beseitigen oder zu missachten. Unter den Sammelbegriffen „Entdeutschung“ und „Repolonisierung“ dauerte dieses Politik über viele Jahre an, was seinen Niederschlag in den gesetzlichen Regelungen und dem Handeln von Parteien und Organisationen fand.
Unter „Entdeutschung“ wurde dabei vor allem die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung, die Übernahme von deren Vermögen sowie die Beseitigung aller Spuren deutscher Anwesenheit verstanden, darunter auch die Beseitigung der kulturellen „Hinterlassenschaften“. Unter „Repolonisierung“ oder richtiger „Polonisierung“ wurden hingegen die Ansiedlung von Polen aus den bisherigen polnischen Ostgebieten und anderen Landesteilen verstanden. In den Dokumenten aus den Jahren 1945–1950 wurden beide Begriffe häufig paarweise verwendet.
In den ersten Nachkriegsjahren fand die „Entdeutschung“ unter den noch frischen Eindrücken des Krieges und der damit verbundenen deutschen Verbrechen statt. In der Presse wurde das Wort „Deutscher“ mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben, die Zerstörung deutscher Bücher und Denkmäler, die Entfernung deutscher Aufschriften oder Informationstafeln waren ein Ausdruck patriotischer Gesinnung. Häufig wurde dabei an ähnliche Verhaltensweisen der Deutschen während der Okkupation erinnert.
Letztlich waren es vor allem die Kunsthistoriker und Denkmalschützer die sich über viele Jahre den politischen und administrativen Aktionen der „Entdeutschung“ des kulturellen Erbes entgegen stellten und retteten, was nur möglich war.
II
In den ersten Nachkriegsjahren wurde die These vertreten, dass fast alles was in den neuen Gebieten vorgefunden wurde, einst von Polen errichtet wurde, so dass nur die „deutschen Spuren“ beseitigt werden müssten. Viele Objekte wurden auch einfach als europäische Kulturwerke eingestuft.
Seit 1946 nahmen an den Aktionen zur „Entdeutschung“ von Immobilien staatliche Behörden sowie Vertreter verschiedener gesellschaftlicher und Jugendorganisationen teil. Besonders aktiv waren dabei die Organe und Mitglieder des PZZ.
In den gesellschaftspolitischen Abteilungen auf Wojewodschafts- und Kreisebene wurden in Abstimmung mit dem PZZ spezielle Verantwortliche ernannt, die diese komplexen Aktionen koordinierten, wobei die Appelle der Denkmalschutzbehörden um Erhalt der Objekte nicht immer beachtet wurden. Für die Behörden und die Mehrheit der Bevölkerung waren dies „deutsche Überbleibsel“, die nicht schützenswert waren. Im Rechenschaftsbericht auf der Mitgliederversammlung des PZZ am 7. Dezember 1947 unterstrich Generalsekretär Czesław Pilichowski: „Im Bereich Deutschlandkunde wurde der Kampf mit den materiellen und geistigen Spuren des Deutschtums aufgenommen. [...] Es wurden mit Hilfe örtlicher Vereine und Behörden Aktionen durchgeführt, um die materiellen Spuren dieses Deutschtums in den Westgebieten zu beseitigen. Gleichzeitig haben wir unseren Kreisorganen empfohlen, Aktionen zur Stärkung des polnischen Nationalbewusstseins unter der Bevölkerung durchzuführen, um die geistigen Spuren des Deutschtums auszutilgen.“
Die Polonisierung des Stadtbildes wurde begonnen mit der Liquidierung der Denkmäler. Die Beseitigung des Denkmals für Kaiser Wilhelm I. in der Breslauer Świdnicka-Str. wurde beispielhaft feierlich mit einer Kundgebung, Fahnen und Transparenten organisiert.
Parallel dazu wurden sämtliche deutsche Aufschriften entfernt, auch auf denkmalgeschützten Objekten. Die dazu herausgegebenen Verordnungen und Rundschreiben finden sich in den Überlieferungen von staatlichen und kommunalen Behörden verschiedener Ebenen. Sie sind häufig als geheim oder vertraulich klassifiziert.
Eine der ersten Anweisungen in dieser Frage wurde am 24. Juni 1947 vom MZO herausgegeben und empfahl „die Beseitigung deutscher Aufschriften in Kirchen, Kapellen, auf Friedhöfen, an Wegkreuzen u.ä. religiösen Objekten, es sei denn, das Objekt ist von herausragendem künstlerischen Wert, was in jedem Zweifelsfall von kompetenten Behörden bestimmt werden muss“. Darüber hinaus sollten „alle Aufschriften entfernt werden, nicht nur auf öffentlichen Gebäuden, wo sie kaum noch anzutreffen sind, sondern auch auf privaten Wohnhäusern (Einfahrten und Treppenaufgänge) sowie in gastronomischen Einrichtungen, Cafes, Läden usw., wo Aufschriften besonders auf wertlosen Bildern (Öldrucke) und verschiedenen kleineren Gegenständen zu finden sind“. In dem Rundschreiben wird auch daran erinnert, dass „in den Programmen der Konzerthäuser Werke von denjenigen Komponisten gemieden werden sollen, die vom Hitlerregime als besondere Träger der germanischen Idee angesehen wurden, wie z.B. Wagner. Ebenso soll mit Schriftstellern und Historikern umgegangen werden, die eng mit der Nazi-Ideologie verbunden waren. In öffentlichen Vergnügungslokalen ist darauf zu achten, dass keine deutschen Schlager aufgeführt bzw. entsprechende Lieder gesungenen werden“.
Dennoch erbrachten nach Auffassung des MZO die 1947 durchgeführten Polonisierungsaktionen keine ausreichenden Resultate. In einem Rundbrief vom 26. April 1948 wird daher „die radikale Beseitigung des unzureichenden Zustandes“ gefordert.
Die von wenigen Denkmalschützern in diesen Gebieten unternommenen Versuche zum Schutz wenigstens eines Teils der Denkmale vor „Entdeutschung“ wurden manchmal durch die örtliche Bevölkerung unterstützt. So erschien Ende 1948 auf den Seiten der Zeitung Nowiny Raciborskie [Ratiborer Neuigkeiten] ein scharfer Protest der Einwohner von Nysa/Neisse gegen die Zerstörung der lateinischen Inschriften am Gebäude des Jesuitenkollegs (das sogenannte Carolinum) sowie das Herausmeißeln des Zeichens „IHS“ aus dem Gewölbe der Aula des Carolinums. Am Ende des von den Einwohnern unterschriebenen Protestbriefes heißt es: „Angemerkt werden muss, dass sich im Carolinum der Sitz der Gesellschaft der Wissenschaftsfreunde befindet, dessen Vorsitzender zudem im Kolleg wohnt. Wir glauben nicht, dass die Aktion mit seinem Wissen geschah, denn uns ist schließlich bewusst, dass trotz neuer Wahrheiten nicht die Spuren derjenigen zerstört werden sollen, die vorher da waren. Genau dies verlangt die Kultur von uns.“
In den ersten Nachkriegsjahren einte die in den Westgebieten neu angesiedelten Polen vor allem die katholische Kirche. Die Gotteshäuser sollten zu einem wichtigen Zeichen des Polentums werden, weshalb sie ähnlich wie die weltlichen Denkmale mit Hammer und Pinsel polonisiert wurden. Priester und Gläubige entfernten gemeinsam deutsche Epitaphe, bauten die Altarräume um, wobei häufig die für protestantische Kirchen charakteristischen Kanzeln entfernt wurden. Die neogotische Bauweise, die typisch für diese Zeit war, wurde als deutsch erachtet, während die Gotik in Schlesien als polnisch galt. Beim Wiederaufbau einiger sakraler Objekte wurde deshalb das Gotische besonders betont.
Dennoch muss unterstrichen werden, dass dank der Übernahme des Großteils der Sakralobjekte durch die katholische Kirche deren weitere Zerstörung verhindert wurde. Weltliche Objekte und Sakralbauten, die nicht von der Kirche übernommen werden durften, wurden hingegen häufig verwüstet.
Nach Angaben des MZO hat die römisch-katholische Kirche bis 1948 schon 2 895 Kirchen, 351 Kapellen sowie 61 Klöster und 216 Friedhöfe übernommen. Die evangelische Kirche verfügte in diesem Zeitraum über 84 Kirchen, 17 Kapellen und zehn Friedhöfe, die orthodoxe Kirche über zwei Kirchen und drei Kapellen. Insgesamt wurden von den Glaubensgemeinschaften 3 020 Sakralbauten übernommen (der Großteil mit Baudenkmalstatus), 61 Klöster und 231 Friedhöfe.
Ganz anders sah die Situation hinsichtlich der Baudenkmäler in den Westgebieten aus, die, wie im ganzen Land, in Staatsbesitz übergingen. Viele Jahre lang wurden keine Bewirtschaftungspläne erstellt. Dies betraf vor allem Gutshöfe, aber auch Altbauten in den Städten, die häufig an die Lokalverwaltungen übertragen wurden und von diesen ohne Renovierung bis zur unvermeidlichen baupolizeilichen Sperrung genutzt wurden. In einem am 26. April 1949 erlassenen Dekret wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Übernahme und Nutzung vor allem der Erfüllung der Wirtschaftspläne dienen soll und Ausgaben für den Erhalt oder die Renovierung nicht im Vordergrund stehen.
Ein Beispiel für ein derartiges Vorgehen bildet die 1953 vom Kulturministerium vorgenommene vertrauliche Aufstellung von 15 Objekten in den Westgebieten, die sich „nach Wiederaufbau und Anpassung zur Lagerung von Getreide eignen“. In der Wojewodschaft Koszalin wurden dazu die Schlösser in Stolp/Słupsk, Schivelbein/Świdiń und Bad Polzin/Połczyń Zdrój vorgesehen, die Wirtschaftsbauten des Norbertinerinnen-Klosters in Słupsk sowie die Heilig-Geist-Kirche in Rügenwalde/Darłowo und die Stadtmauertürme in Schlawe/Sławno. In der Wojewodschaft Oppeln/Opole wurden hingegen der Bischofspalast in Neisse/Nysa, das Schloss in Oberglogau/Głogówek sowie die evangelische Kirche in Löwen/Lewiń Brzeski als Magazine vorgesehen. In der Wojewodschaft Grünberg/Zielona Góra sollten diesem Ziel die Klosterbauten in Deutsch Wartenberg/Otyń und Glogau/Głogów dienen, die Paläste in Tammendorf/Gęstowice und Ziebingen/Cybinka sowie das Schloss in Glogau. Auch Teile der Marienburg in der Wojewodschaft Danzig/Gdańsk sollten der Lagerung von Getreide dienen.
Auf die Zerstörung, die Zweckentfremdung sowie fehlende Mittel zur Erhaltung vieler Objekte in den Westgebieten wurde in einem im Juli 1947 vorgelegten Memorandum des Ministeriums für Wiederaufbau hingewiesen. Hauptforderung war die Berücksichtigung des Wiederaufbaus großer Städte wie Stettin/Szczecin und Breslau/Wrocław), aber auch von Kleinstädten in den Investitionsplänen des Ministeriums, da deren weiterer Verfall „schädlich für die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten“ sei.
Bestimmend für die weitere Entwicklung war jedoch ein Erlass des MZO, der Mitte 1947 die weitere Abtragung von Gebäuden und Ruinen in den Westgebieten vorsah – zur Gewinnung von Baumaterial. Dieser Plan wurde als „Wiedergewinnungsaktion“ bezeichnet und diente der Erlangung von Baumaterialien (Dachziegel, Backsteine und ganze Bauelemente) zum Wiederaufbau vor allem von Warschau, Danzig und Breslau. Die zwischen 1947 und 1949 in den neuen Gebieten tätigen Bautrupps trugen nicht nur zerstörte und beschädigte Gebäude ab, sondern auch solche, die noch in gutem Zustand waren, darunter denkmalgeschützte.
Die fleißigsten Aktivisten bei diesen Abrissaktionen für Baumaterialien wurden mit speziellen Prämien ausgezeichnet, während die damit befassten Behörden Finanzmittel zugewiesen bekamen, die von der Menge des abgelieferten Baumaterials abhingen. Die verantwortlichen Denkmalschützer wurden oft nicht über die Abbruchaktionen informiert.
Im Ergebnis dieser Aktionen verschwanden in vielen Orten der Westgebiete eine erhebliche Anzahl von Baudenkmälern. So wurden im Zuge dieser „Beseitigung von Kriegsschäden“ etwa in Neisse über 100 alte Gebäude abgetragen. Ähnliche Aktionen fanden in auch in Brieg/Brzeg, Neustadt/Prudnik und Christburg/Dzierzgoń statt. In der Wojewodschaft Stettin wurden in Güstow/Ustowo und Klein Reinekendorf/Warzymice zwei romanische Kirchen abgetragen, der dabei gewonnene Granitstein wurde zum Straßenbau eingesetzt.
Es gab aber auch positive Beispiele, bei deren Verwirklichung die übernommenen Bauten der neu angesiedelten Bevölkerung hätten dienen können. So wurde für das Barockensemble des ehemaligen Zisterzienser-Klosters in Leubus/Lubiąż die Einrichtung eines Schulzentrums vorgeschlagen, „nach dem Vorbild des Gymnasiums in Krzemieniec, nach Möglichkeit später ergänzt durch die Unterbringung auch der Höheren Landwirtschaftsschule wie früher in Dublany“. Der Vorschlag stammte vom Landrat des Kreises Wołów und wurde im März 1948 an das MZO übermittelt.
III
Mit Beschluss des Ministerrates vom 13. Februar 1945 wurde beim Ministerium für Kultur und Kunst die Generaldirektion für Museen und Denkmalschutz gebildet, die dem Namen entsprechend aus zwei Abteilungen bestand. Die Museumsabteilung wurde von Stanisław Lorentz geleitet, die Abteilung Denkmalschutz von Jan Zachwatowicz, der am 1. März 1945 zudem zum Generalkonservator ernannt wurde. Sein Stellvertreter war Witold Kieszkowski.
Zu den Aufgaben der Museumsabteilung gehörten: Betreuung der Museen, Feststellung des Nachkriegszustands, Einbringung der von den Deutschen zerstreuten Sammlungen, Sicherung der Herrenhäuser (was konkret deren Übernahme durch den Staat bedeutete), Sicherung anderer (ehemals deutscher) Baudenkmale vor Zerstörung und Ausplünderung sowie die Organisation des gesamten Museumswesens in Polen. Aufgabe der Denkmalschutzabteilung war der Schutz sämtlicher beweglicher und unbeweglicher Baudenkmale sowie deren Erhaltung.
Die von der Generaldirektion in den West- und Nordgebieten unternommen Aktionen hatten vor allem zum Ziel, die wertvollsten Objekte zu finden, zu übernehmen und in speziell gebildeten Sammelstellen sicherzustellen, bevor sie in Museumsmagazine in Zentralpolen, insbesondere ins Nationalmuseum Warschau abtransportiert wurden. Schon am 10. März 1945 wurde an das Büro für die Westgebiete eine spezielle Instruktion der Generaldirektion für die Armee gesandt mit dem Titel: „Instruktion für die Einheiten der Polnischen Armee, die in die Polen zurückgegebenen Gebiete einmarschieren, betreffend den Schutz und die Sicherung von beweglichen und unbeweglichen Kulturobjekten in den Gebieten zwischen der Westgrenze Polens von 1939 und den Flüssen Oder und Lausitzer Neiße sowie der tschechoslowakischen Grenze“. Die „Instruktion“ zählte dann im Einzelnen die zu sichernden Objekte auf, zu denen neben Kunstgegenständen aller Art, sakralen und weltlichen Bauten wie Kirchen und Rathäusern nebst Inventar auch Ausgrabungsstätten, Bibliotheken und Büchersammlungen sowie alte Musikinstrumente gehörten. Auch Theater und Konzertsäle sollten gesichert werden.
Gesucht werden sollten die interessierenden beweglichen Objekte an sämtlichen möglichen öffentlichen Orten sowie darüber hinaus in den Wohnungen vermögender Deutscher sowie von Wissenschaftlern. Auch das Gepäck von flüchtenden Deutschen sollte durchsucht, etwaige Postsendungen an Museen requiriert werden.
Die sichergestellten Gegenstände sollten in Sammelpunkten abgegeben werden, die von der Armee zu bewachen waren. Auch denkmalgeschützte Kirchen und deren Ausstattung sollten geschützt werden, wobei mangels anderer Möglichkeiten der Schutz den katholischen und evangelischen Pfarrern obliegen sollte. Deshalb fehlte auch nicht der Hinweis, dass „die polnische Regierung schon seit langem über Inventare der dortigen Kirchen verfügt und die Pfarrer verantwortlich macht für die komplette Aufbewahrung von Monstranzen, Kelchen, Ornaten, Plastiken und Bildern sowie Kirchenbüchern“. In der „Instruktion“ wurde auch eine Auflistung der gefundenen Gegenstände angeregt sowie eine Benachrichtigung über Fund- und Aufbewahrungsorte an die Generaldirektion in Warschau eingefordert.
Eine gesonderte Aufstellung von durch die Armee und die Verwaltung zu sichernden Objekten auf dem Gebiet Danzigs wurde am 9. April 1945 von einer Operationsgruppe des Bildungsministeriums an das Büro für die Westgebiete übermittelt. Darin ging es um „polnische Spuren“, die in alten Gebäuden der Stadt und Kirchen der Stadt zu finden seien, um Polonica in der Stadtbibliothek, alle Sammlungen im städtischen, Naturkunde-, archäologischen und historischen Museum sowie die Ausstattung des Hauptrathauses, des Artus-Hofes, des Uphagen-Hauses, der Marienkirche, vor allem aber Kunstwerke aus der vorreformatorischen Zeit. Sichergestellt werden sollten auch die Bibliotheksbestände der polytechnischen Hochschule, der medizinischen Akademie, des polnischen Gymnasiums sowie Münzsammlungen.
In den Westgebieten wurden 1945/46 einige Dutzend provisorische Sammelstellen gebildet, in denen die in der Nähe beschlagnahmten Kunstwerke, Büchersammlungen und einige Archive gelagert wurden. Darüber hinaus entstanden zentrale Sammelstellen für Kunstwerke in Krakau auf dem Wawel, im Palast von Kozłówek bei Lubartów sowie im Nationalmuseum in Warschau. Die meisten Sammelpunkte befanden sich geografisch gesehen in Niederschlesien, der größte in Eckersdorf/Bożków, Kreis Glatz/Kłodzko, weitere in Krummhübel/Karpacz, Hirschberg/Jelenia Góra (Schloss Paulinum), Heinrichau/Henryków und Glogau/Głogów. Im Norden waren vor allem Danzig-Oliva und Stettin Sammelpunkte. Die Einrichtung dieser Sammelpunkte für Kunstwerke von unterschiedlichem Wert wurde von vielen Kunsthistorikern und Denkmalschützern als schädlich und falsch bewertet. Zudem gibt es keine Dokumente, welche die Prinzipien der Annahme und der späteren Weiterleitung erläutern. Zum Großteil gibt es auch keine Aufstellungen darüber, was an wen oder wohin abgegeben wurde.
Schon im November 1945 informierte die Abteilung Denkmalschutz den Landesnationalrat darüber, dass „die von den Deutschen aus polnischen Museen geraubten Kunstwerke sowie andere Objekte, die nach der Bodenreform angefallen sind, ins Landesinnere verbracht wurden“. Konkret wurden sie mit Lastwagen der UNRRA und Zügen aus Danzig und Hirschberg in die Magazine des Nationalmuseums in Warschau gebracht. Gleichzeitig wurde gefordert, größere Geldsummen für diese Tätigkeiten aufzubringen, denn „dadurch könnten „Milliardenwerte an Museumsgütern gerettet werden“.
Der Abteilungsleiter Museen Stanisław Lorentz informierte regelmäßig den Minister für die Wiedergewonnenen Gebiete über die Mengen der übernommenen Objekte. So teilte er beispielsweise im Juni 1946 mit, dass im Zeitraum 23. Februar bis 28. März 1946 13 Waggons Museumsgüter aus Schlesien nach Warschau verbracht wurden. Beigefügt wurden unvollständige und überwiegend allgemein gehaltene Listen der überstellten Kunstwerke, die vom Beauftragten des Kulturministeriums für die Sicherstellung der Kulturgüter in Nieder- und Oberschlesien, Witold Kieszkowski, sowie dem Beauftragten des Nationalmuseums in Warschau, J. Lipiński, unterschrieben waren. Erwähnt werden darin viele Gemälde, darunter auch solche religiösen Charakters, die aus Kirchen stammten, etwa von Michael Willmann, Hans Holbein dem Älteren und dem Jüngeren sowie von Hans Thom, Skulpturen, Glaskunst, kirchliche Paramente, antike Möbel, chinesisches Porzellan, alte Musikinstrumente sowie Kisten mit archäologischen Funden. Insgesamt erteilte das MZO in den Jahren 1947/48 dem Kulturministerium 3 300 Genehmigungen zur Ausfuhr von Kunstwerke, 1947 – 500, aber 1948 – 2 800.
Die in den neuen Gebieten verbliebenen weniger wertvollen Kunstwerke unterlagen ebenfalls der Zufallsvergabe, wobei meistens nicht vermerkt wurde, wohin sie gegeben wurden. Ein Teil wurde zum „Gebrauch“ in „öffentliche Einrichtungen und Betriebe“ gegeben. Auch innerhalb der Westgebiete fanden Verlagerungen statt. So übersandte etwa Ende Dezember 1948 der Hauptvorstand des Verbandes der Staatangestellten Polens aus seinem Erholungsheim in Karpacz eine maritime Sammlung an das Meeresmuseum in Stettin. Zur Sammlung gehörten u.a. Kompasse, verschiedene Schiffsmodelle und Gemälde. Auch Schiffsmodelle aus dem Schulungshaus in Agnetendorf/Jagniątków wurden an das Museum übersandt.
In Westpommern fand 1946 im Auftrag des Kulturministeriums eigens eine Visitation durch die Generaldirektion für Museen und Denkmalschutz, vertreten durch Dr. Ksawery Piwocki statt, der berechtigt war, Weisungen zur Sicherstellung von Beständen herauszugeben. Die in diesem Zusammenhang durchgeführte Aktion in Danzig und 23 umliegenden Ortschaften führte zur Beschlagnahmung von Gemälden, Paramenten, Altären, Orgeln und prähistorischen Exponaten, die mit 29 Lastwagen in das ehemalige Zisterzienser-Kloster nach Danzig-Oliva, das als Sammelstelle diente, gebracht wurden. Ähnlich verhielt es sich in der neuen Wojewodschaft Stettin.
Im August 1947 wurde von der Generaldirektion für das MZO eine Art Zwischenbilanz für das MZO erstellt unter dem Titel: „Memorandum betreffend die Museen in den Wiedergewonnenen Gebieten sowie den Abtransport und die Sicherstellung der beweglichen Kunstobjekte aus ehemals deutschem Besitz“. Wegen der darin enthaltenen Informationen zu Umfang und Zielen der Requirierungsaktionen soll daraus ausführlicher zitiert werden: „Die bisher durchgeführten Aktionen und Abtransporte betrafen vor allem Museumsobjekte, die von den Okkupanten aus den Museen in Zentralpolen geraubt wurden sowie sämtliche Kunstwerke aus ehemals deutschen öffentlichen und privaten Sammlungen, sofern diesen Objekten vor Ort nicht der nötige Schutz gewährleistet werden konnte (Räumlichkeiten und denkmalgerechte Pflege durch Fachpersonal). Der Abtransport einer bedeutenden Anzahl von Objekten nach Warschau ist dadurch gerechtfertigt, dass sich dort die einzigen Fachwerkstätten für die allernötigsten Schutzmaßnahmen befinden, nämlich die Werkstatt des Nationalmuseums sowie die des Kulturministeriums. Solche Werkstätten gibt es in den Westgebieten nicht, da es in Polen an Fachpersonal sowie den sehr teuren und schwer zu beschaffenden Apparaturen fehlt.
Darüber hinaus ist die Konzentrierung von Kunstobjekten in Warschau unter der Verfügungsgewalt des Kulturministeriums eine unverzichtbare Bedingung für die Realisierung der Planwirtschaft in unserem Museumswesen. Die richtige Verteilung der Kunstwerke auf die einzelnen Museen kann schließlich nur dann rational durchgeführt werden, wenn die entsprechende Verteilungsbehörde unmittelbare Kenntnis über die zu verteilenden Bestände hat und über diese auch direkt verfügen kann.“
Tatsächlich konnten die wenigen Fachkräfte in den neuen Gebieten kaum etwas zum Schutz der Kunstwerke beitragen, fehlte es ihnen doch an den notwendigsten Mitteln, vor allem an Transportmöglichkeiten. So konnte etwa der Konservator aus Kattowitz erst nach Intervention des stellvertretenden Kulturministers ein Auto zur Nutzung erhalten. Andere Konservatoren erhielten Transportmittel nur ein oder zwei Mal pro Quartal und zu speziellen Anlässen. Außer einer reinen Erfassung der Objekte mittels Dienstvermerken waren also kaum Aktivitäten möglich, schon gar kein Schutz vor Diebstahl etc.
Aus den für die Jahre 1945–1947 übermittelten Akten zu Dienstreisen von Konservatoren und Museumsmitarbeitern lassen sich daher häufig Beschreibungen zum beklagenswerten Zustand der entsprechenden Objekte in kleineren Ortschaften finden, etwa zum Jagdmuseum in Löwenberg/Lwówek Śląski, dessen Bestände zum Teil von der Sowjetarmee abtransportiert wurden, während die verbliebenen Exponate anschließend sukzessive gestohlen wurden, da weder Mittel noch Personal zu deren Schutz vorhanden waren. Ähnlich erging es der Kirche in Krossen an der Oder/Krosno nad Odrą, die ein Jahr lang geplündert und zerstört wurde, darunter auch dort befindliche Archivalien. Erst nach mehreren Interventionen wurde das Stadtmuseum in Krossen gesichert. Auf Intervention des Konservators in Posen wurde archäologische Exponate aus dem Herrenhaus und dem Park in Königswalde/Lubniewice, Kreis Zielenzig/Sułęcin nach Warschau abtransportiert.
Ähnliche Berichte finden sich in vielen Akten aus diesen Jahren, wobei die Zerstörungen und Plünderungen zunächst durch die dort stationierten sowjetischen Truppen erfolgten und nach deren Abzug durch die Neuankömmlinge fortgesetzt wurden, so etwa im Schloss von Sagan/Żagan.
Aus den Akten ablesen lässt sich zudem ein langwieriger Schriftwechsel zwischen den verantwortlichen Ministerien, bevor es endlich zu einer Entscheidung kam. So korrespondierten das Gesundheitsministerium, das Bildungsministerium und das MZO von Ende 1947 bis Mitte 1948, bevor die Entscheidung zur Übergabe der zoologischen Sammlungen aus Bad Warmbrunn/Cieplice Zdrój an das Zoologische Institut der Universität in Wrocław fiel. Die Sammlungen hatten einst die komplette Fauna Schlesiens erfasst, waren aber zwischen Kriegsende und der Übergabeentscheidung bereits stark geplündert worden.
Ab Mitte 1947 häuften sich aber auch die Anfragen von verschiedenen staatlichen Behörden vor Ort an das Kulturministerium oder das MZO nach Informationen zum Umgang mit noch vorhanden Sammlungen und Objekten, vor allem aber zur Finanzierung der bereits tätigen Museen sowie zu deren personeller Ausstattung. Bemängelt wurde etwa, dass „die Personen, die derzeit als Führer in den musealen Einrichtungen tätig sind, diese Funktionen selbstherrlich ausübten, die dortigen Sammlungen den Besuchern als Eigentum der Deutschen präsentierten und von Schlössern berichteten, die von der Sowjetarmee geplündert worden seien“.
Die Reaktionen und Entscheidungen der Zentralbehörden, aber auch lokaler Organe auf die geschilderten Vorgänge erfolgte also stark verzögert und ohne die nötige Eile. Häufig wurden in den Antworten nur die zuständigen Institutionen vor Ort benannt, die sich der konkreten Probleme annehmen sollten. Diesen fehlten wiederum die Mittel, die nötigen Baumaterialien und das richtige Personal, um schnell reagieren zu können.
IV
Zu den von den Deutschen hinterlassenen Kulturgütern gehörten auch Archive und Bibliotheken. Viele dieser Sammlungen wurden noch Anfang 1945 auseinandergerissen durch Evakuierungen zum Schutz vor Kriegszerstörungen. Gleichwohl kam es zu erheblichen Verlusten durch Kriegshandlungen und Abtransporte in die Sowjetunion.
In der ersten Phase nach der Übernahme der West- und Nordgebiete durch die polnische Verwaltung kam es bis ca. Mitte 1946 zudem häufig zu Zerstörungen der angetroffenen Bestände, da diese bei der Übernahme der Gebäude „störten“, als Schreibpapier oder Heizmaterial verwendet wurden bzw. ganz einfach als Rohstoff zur Papierherstellung, da ohnehin in einer Fremdsprache verfasst. Zudem fehlte es an Experten, die den Wert der Sammlungen einschätzen konnten.
Es fanden aber auch Abtransporte durch die Generaldirektion für Museen und Denkmalschutz nach Zentralpolen statt, so dass ein Teil davon in die Warschauer Nationalbibliothek bzw. die Universitätsbibliothek gelangte. Auch nach Poznań gelangten so Bestände Bibliotheks- und Archivbestände, wovon heute einige Berichte zeugen, die von den Bevollmächtigten und später den Landräten für das Wojewodschaftsamt angefertigt wurden. So gelangte etwa der bereits teilweise geplünderte Bibliotheksbestand aus dem Herrenhaus in Grabow/Grabów, Kreis Sułęcin in die Posener Universitätsbibliothek. Bekannter noch ist die Übernahme der in Schlawa/Sława, Kreis Glogau gefundenen Sammlung Heinrich Himmlers, die zahlreiche Bücher und Dokumente zur Freimaurerei und „Hexen“ enthält, durch diese Bibliothek. Im Mai 1948 wurde von der Stadtverwaltung in Fraustadt/Wschowa eine Sammlung von Bildern und Stempeln an das Muzeum Wielkopolski [Großpolnisches Museum] überstellt.
Besonders bedrohliche Berichte über den notwendigen Schutz von Beständen vor Zerstörung übermittelten die wenigen in den Westgebieten tätigen Archivare.
Mit der Sicherung und Übernahme von Archivbeständen befasste sich seit 1945 die Abteilung Staatliche Archive des Bildungsministeriums, deren Direktor Witold Suchodolski war. Ein erster Rundbrief des Departements für Planung und Koordinierung des MZO, der die Sicherstellung deutscher Aktenbestände sowie die Benachrichtigung der Archivabteilung anmahnte, wurde jedoch erst am 10. Mai 1946 versandt. Darin wurde u.a. festgestellt, dass ein bedeutender Anteil der Archive bereits zerstört worden sei. „Deshalb ist es um so wichtiger, die verbliebenen Archive zu sichern und zu pflegen, denn diese Akten haben nicht nur wissenschaftliche Bedeutung, sondern auch politische, da sie zahllose Beweise über den polnischen Charakter dieser Gebiete enthalten, die gewaltsam vom deutschen Staat germanisiert worden sind.“
Dennoch kam es auch in der Folge zu weiteren Zerstörungen und Plünderungen der Bestände, weshalb sich die Archivabteilung erneut an das MZO wandte und um Unterstützung und entsprechende Anweisungen an die örtlichen Behörden zur Einhaltung der entsprechenden Vorschriften bat. Die Staatsarchive in Katowice, Wrocław, Poznań, Gdańsk, und Szczecin sollten über Funde von Beständen und Sammlungen in ihren Wojewodschaften informiert werden.
Endgültig geregelt wurde die Frage der Sicherstellung von Archivbeständen in den neuen Gebieten jedoch erst durch den Beschluss des Ministerrates vom 10. April 1947 „betreffend die Übernahme von ehemals deutschen Archivalien und Akten in den Westgebieten und in der ehemals freien Stadt Danzig durch die staatliche Archivverwaltung“. Der Beschluss bestimmte auch, welche Bestände in den staatlichen Archiven gelagert werden sollten und welche „mit Rücksicht auf die Staatssicherheit in der Verfügungsgewalt der Organe für öffentliche Sicherheit und Verteidigung verbleiben sollten“. Die Informationen über Provinienz und Erhaltungszustand sollten von den lokalen Behörden an die zuständigen Archive gemeldet werden, Zerstörung und Makulierung wurden verboten.
Die Archivabteilung im Bildungsministerium musste zudem das Archivwesen in den neuen Gebieten erst aufbauen. Von den deutschen Archivgebäuden waren diejenigen in Danzig und Breslau abgebrannt. Nur in Stettin war lediglich eine relativ geringfügige Renovierung notwendig.
Aus Furcht vor Kriegszerstörungen waren von den deutschen Behörden ein Großteil der Bestände in Danzig, Breslau und Stettin an verschiedene Orte, insbesondere in Niederschlesien, aber auch westliche Landesteile evakuiert worden.
Aus dem Danziger Archiv hat lediglich ein Teil der Akten die Evakuierung überstanden sowie ein kleiner Teil, der im Keller des Verwaltungsgebäudes des Archivs untergebracht war. Die Sichtung und Sammlung der geretteten Bestände begann dort Mitte 1945 unter der Leitung von Marcin Dragan, der im Dezember desselben Jahres die Ernennung zum Direktor des Staatsarchivs Gdańsk erhielt. Im Ergebnis der durchgeführten Such- und Rückführungsaktionen konnten viele Bestände gerettet werden. Dennoch sind schätzungsweise 30% der dort bis 1944 gelagerten Bestände als verloren anzusehen. Zu den bedeutendsten verlorenen Dokumenten zählen die Akten der Pommernfürsten, des Deutschen und des Johanniterordens sowie der polnischen Könige. Erst in den Jahren 1957/58 kehrte ein Teil der 1945 aus Westpommern abtransportierten Akten aus der Sowjetunion in das Danziger Archiv zurück.
Ähnlich wie in Danzig wurde der Großteil der Bestände des Breslauer Staatsarchivs in verschiedene Orte Niederschlesiens ausgelagert. Die in Breslau verbliebenen Materialien sind zusammen mit dem Archivgebäude während der Belagerung der Stadt verbrannt. Aber auch die ausgelagerten Bestände wurden stark dezimiert. Von den 1944 im Archiv befindlichen etwa 50 000 Urkunden und ca. 280 000 Bänden und Aktenbündeln konnten bis 1948 nur ca. 10% geborgen werden. Zahlreiche Bestände wurden demnach zerstört oder sind verschwunden, von anderen konnten nur einzelne Dokumente gerettet werden. Dies trifft ebenso auf die Bestände des Stadtarchivs Breslau zu, die Anfang der 50er Jahre in das Staatsarchiv integriert wurden. Die Sammlung und Sicherstellung der verstreuten Breslauer Bestände wurde 1945 unter Leitung des Bevollmächtigten der Archivabteilung des Bildungsministeriums Józef Stojanowski begonnen. Das Staatsarchiv selbst nahm am 17. Dezember 1946 offiziell seine Tätigkeit auf. Zum Direktor wurde Michał Wąsowicz ernannt.
In Stettin begann man mit der Sichtung der Bestände im glücklich erhalten gebliebenen Gebäude des Preußischen Staatsarchiv im August 1945. Auf Initiative des ersten Leiters des Staatsarchivs, Bolesław Tuhan Taurogiński, wurden auch Informationen über die verstreuten Bestände gesammelt. Das Zusammentragen der Archivalien aus verschiedenen Orten in Westpommern gestaltete sich unter den gegebenen Bedingungen jedoch sehr schwierig. Bis 1949 konnten etwa 58% des Vorkriegsbestands zurückerlangt werden. Noch bis 1956 wurden immer wieder Dokumente gefunden und sichergestellt.
In Allenstein/Olszytń wurde formal erst 1948 ein Archiv begründet. Bis dahin waren die Mitarbeiter der Abteilung für Kultur und Kunst beim Amt des Regierungsbevollmächtigten für die Region Masuren, dem späteren Wojewodschaftsamt, für die Sicherstellung der Bestände zuständig. Aber auch Mitarbeiter des Masurischen Instituts und seit 1947 auch Abgeordnete der Warschauer Archivabteilung waren an der Auffindung und Sicherstellung ehemals deutscher Bestände beteiligt.
Der Großteil der Bestände aus dem ehemaligen Königlichen Preußen war 1944 nach Westdeutschland evakuiert worden. Diese später zum Teil zurückgeführten Dokumente wurden jedoch zunächst in den Archiven von Warschau und Danzig untergebracht. Erst 1956 kehrte ein Teil davon nach Olsztyń zurück.
Ähnlich wie im Falle der Kunstgegenstände wurden wertvolle Büchersammlungen aus den Westgebieten gern in verschiedene Institutionen und Einrichtungen nach Zentralpolen verfrachtet, da diese ihre Buchbestände häufig während des Zweiten Weltkriegs verloren hatten. Entsandt wurden deshalb Mitarbeiter, die mit entsprechenden Berechtigungen ausgestattet waren, um diverse Bestände zu requirieren. Besonders begehrt waren alte Drucke, Atlanten, Karten, Fachliteratur, Wörterbücher, Enzyklopädien etc. Es bestand jedoch weder die Möglichkeit, die Echtheit der Berechtigungen zu prüfen, noch konnte überprüft werden, ob die beschlagnahmten Dinge tatsächlich die angegebene Einrichtung erreichten. Auf diese Art und Weise wurden auch wertvolle medizinische Gerätschaften aus Krankenhäusern, Labor- und Elektroeinrichtungen etc. durch Institutionen aus Zentralpolen beschlagnahmt.
Der Plage des Abtransports in die altpolnischen Regionen stellten sich jedoch viele in den Westgebieten neu gebildete Institutionen immer entschiedener entgegen. Als Beispiel mag hier die umfassenden Bemühungen der Direktion des in Wrocław neu begründeten Ossoliński-Instituts dienen, die zum Ziel hatten, den Abtransport der 80 000 Bände zählenden Sammlung der Schaffgotschen Majoratsbibliothek aus Schloss Warmbrunn, die als ungewöhnlich wichtig für die schlesische Geschichte galt, nach Warschau zu verhindern. Die Bemühungen, die auch vom Wojewodschaftsnationalrat unterstützt wurden, waren teilweise von Erfolg gekrönt, denn nur die Silesiaca verblieben in Breslau, während alles andere nach Warschau ging.
Noch weniger Erfolg hatten der Rektor des Schlesischen Polytechnikums in Gliwice mit der Bitte, die im Stadtmuseum von Gleiwitz befindliche Sammlung deutscher Literatur zum Patentrecht übernehmen zu dürfen. Die Sammlung erhielt das Patentamt in Warschau.
Die ständigen Abtransporte von Kulturgütern führten zunehmend zu Protesten und Verboten der Ausfuhr nach Zentralpolen durch die Wojewodschaftsverwaltungen, etwa in Schlesien. Gefordert wurde etwa, dass „keinerlei Beauftragte zum Abtransport von Bibliotheken ohne das Wissen der Wojewodschaftsverwaltung in Wrocław in die Kreise entsandt werden, da von uns die Weisung erteilt wurde, dass keinerlei Vollmachten zum Abtransport staatlichen Eigentums ohne unser Wissen akzeptiert werden dürfen“.
Erst 1946 wurde jedoch vom MZO entschieden, dass nur noch gesellschaftliche oder wissenschaftliche Institutionen, die einen sachgerechten Umgang mit Bibliothekssammlungen garantieren können, eine Genehmigung zum Abtransport erhalten.
Auch die in den Folgejahren herausgegebenen Verordnungen wurden nur teilweise respektiert, so dass weiterhin gerade viele kleinere Bibliotheken abtransportiert oder aber aus Mangel an Interesse in den örtlichen Verwaltungen schlicht geplündert oder zerstört wurden.
V
Mit dem Herrschaftswechsel in den neuen Gebieten Polens wurden auch die hier bis 1945 bestehenden über 70 deutschen Museen geschlossen oder liquidiert. Zwar entstanden in den Jahren 1946/47 einige kleinere museale Einrichtungen, insbesondere in Niederschlesien, die jedoch mangels Alternative auf Exponate und Kunstwerke aus den deutschen Beständen zurückgreifen mussten. Diese Initiativen wurden in der Presse scharf kritisiert und als „Propagierung des Deutschtums“ gebrandmarkt.
Gleichwohl sollten bei der „Entdeutschung“ und „Repolonisierung“ der neuen West- und Nordgebiete neue Kultureinrichtungen eine große Rolle spielen, darunter auch Museen, weshalb die Gründung eines polnischen Museumsnetzes in diesen Gebieten hohe Priorität hatte.
Bei der interministeriellen Diskussion über die zukünftige Museumslandschaft stellten sich vor allem die Art der einzurichtenden Museen sowie deren politische Ausrichtung als problematisch dar. Zum ersten Mal diskutiert wurden die Probleme der Museumspolitik sowie der Bewirtschaftung der Kulturgüter in den neuen Landesteilen auf einer Konferenz in Wrocław im August 1946, an den Vertreter von MZO und Bildungsministerium, von wissenschaftlichen und kulturellen Instituten aus Schlesien, des Bibliothekar- und Archivverbands, aber auch des Bistums Wrocław sowie der Wojewodschaft teilnahmen. Beschlossen wurde die Bildung einer wissenschaftlichen Kommission, welche die in Niederschlesien noch vorhandenen Sammlungen verteilen sollte. Für die neu zu schaffenden Museumssammlungen wurde hingegen die Schaffung einer Galerie der polnischen Malerei in Wrocław beschlossen, wo Kunstwerke gezeigt werden sollten, die zum Teil aus Lemberg in die Stadt gebracht worden waren. Darüber hinaus wurden Patenschaften vorgeschlagen. So sollten etwa die Breslauer Museen mit Exponaten aus Krakau ausgestattet werden, Warschau sollte die Museen in Danzig und Allenstein bestücken, Stettin sollte durch Posen unterstützt werden.
Das offizielle Programm für die Museumspolitik in den Westgebieten wurde auf der 17. Tagung des Museumsverbandes verkündet, die im September 1946 im Schloss Nieborów, dem ehemaligen Sitz der Radziwiłłs, stattfand. Verkündet wurde es vom Generaldirektor für Museen und Denkmalschutz, Stanisław Lorentz, sowie dem Vertreter des Kulturministeriums Witold Kieszkowski. Demnach sollte das aus deutscher Zeit vorhandene Museumsnetz abgeschafft und durch neue Einrichtungen ersetzt werden, die den „polnischen kulturellen und musealen Bedürfnissen“ entsprechen, vor allem aber der „Repolonisierung“ dienen sollten. Die ständigen Ausstellungen sollten mit Exponaten aus der polnischen Gegenwartskunst bestückt werden, die speziell dafür angekauft werden sollten. In den großen Städten sollten die schon funktionierenden Museen ausgebaut werden, während Museen in kleineren Städten geschlossen werden sollten. Hauptmuseumsort für Niederschlesien sollte Wrocław werden. Darüber hinaus sollte ein Piasten-Museum in Liegnitz entstehen, ein landeskundliches Museum in Hirschberg, ein Bergbaumuseum in Waldenburg/Wałbrzych sowie einige kleinere Lokalmuseen u.a. in Neiße, Ratibor, Oppeln und Zgorzelec, wo ein sorbisches Museum mit angeschlossenem Institut begründet werden sollte.
Für die anderen neuen Landesteile wurde verkündet: die Entstehung eines ethnologischen Museums in Danzig, eines Meeresmuseums in Stettin sowie allgemein vier Museumseinrichtungen für das Lebuser Land. Insgesamt wurde die Errichtung von 17 Museen beschlossen, wobei auffällt, dass für das Ermland und Masuren keinerlei Pläne verkündet wurden.
In einem bereits Ende 1944 vom Verband der Masuren für die vorläufige Staatsverwaltung ausgearbeiteten „Memorandum“ hatten dessen Autoren jedoch bereits die Schaffung eines Regionalmuseums für die Masuren angemahnt, das „den Anteil des polnischen Elements am Kunstschaffen in diesem Gebiet illustriert und das achthundertjährige Ringen des Volkes um die polnische Seele der Masuren verdeutlicht.“ Tatsächlich wurde im November 1945 ein Masurisches Museum in Allenstein eröffnet, das „die uns zuerkannten Gebiete unter dem Blickwinkel ihrer Zugehörigkeit zur Ostseeregion und zur slawischen Geschichte mit Hilfe von prähistorischen und ethnografischen Sammlungen sowie Kunst- und Kulturexponaten darstellen soll.“ In den Museumsmagazinen landeten aber auch viele Exponate aus den ehemals deutschen Regionalmuseen in Bartenstein/Bartoszyce, Lötzen/Giżycko, Rastenburg/Kętrzyń, Neidenburg/Nidzica sowie Teile von Sammlungen aus Königsberg, darunter Kunstwerke aus der Gothik, Renaissance und des Barock, die aus zerstörten Kirchen, Schlössern und Herrenhäusern stammten. Die 1946 im Museum eröffnete Volkskunstabteilung hatte die Aufgabe, die „künstlerischen Anstrengungen des masurisch-ermländischen Volkes“ zu zeigen, welche „die ewige Existenz polnischer Elemente in dieser Region“ belegten. Bis 1949 entstanden noch ein Landschaftsmuseum in Kętrzyń, ein ethnografisches Museum in Ortelsburg/Szczytno sowie das Kopernikus-Museum in Frauenburg/Frombork.
Bis zur Einrichtung der neuen Museen nach den vorgegebenen Richtlinien sollten Wanderausstellungen mit polnischen Kunstwerken eine wichtige Rolle bei der Repolonisierung der Westgebiete spielen. Zu den größten Projekten dieses Typs zählte eine Ausstellung mit dem Titel: „Polnische Malerei zur Mitte des 19. Jahrhunderts“, die 1948 vom Nationalmuseum in Warschau vorbereitet wurde. Dazu wurden schließlich 40 Gemälde ausgesucht, die Genreszenen, Porträts, Landschaften und Stadtansichten darstellten und u.a. von Juliusz Kossak, Henryk Rodakowski, Cyprian Norwid, Piotr Michałowski und Wincenty Dmochowski stammten. Neben der scharfen Zensur bei der Auswahl der Gemälde verfügte der stellvertretende Kulturminister Włodzimierz Sokorski auch Änderungen von Bildunterschriften bei den Porträts, was er wie folgt begründete: „Da die Ausstellung keinen wissenschaftlich-historischen Charakter haben wird, sondern sich an das breite Volk wendet, vor allem an die Arbeiter, gibt es keinen Grund, die zufälligen Namen der Porträtierten in den Bildunterschriften anzugeben, wie z.B. ‚Jan Chrucki’ von M. Malinowski, ‚Die Potockis bei der Jagd’ von Juliusz Kossak oder ‚Branicka zu Pferde’ etc. Eine Ausnahme bilden die Porträts historischer Gestalten wie das Porträt von Adam Mickiewicz von Aleksander Kamiński oder ‚Chopin auf dem Totenbett’ von Teofil Kwiatkowski. Ähnlich wie bei dem Bild des letztgenannten Malers sollte das Gemälde von Wincenty Dmochowski ebenfalls nur allgemein ‚Stadtansicht’ genannt werden [Das Bild hieß eigentlich ‚Blick auf Pińsk’ Unterstreichung; M. R.].“ Die Ausstellung wurde in den West- und Nordgebieten schließlich vom 15. März bis zum 15. Dezember 1948 in folgenden Städten gezeigt: Elbing/Elbląg, Marienburg/Malbork, Schlochau/Człuchów, Stolp/Słupsk, Köslin/Koszalin, Kolberg/Kołobrzeg, Belgard/Białogard, Landsberg an der Warthe/Gorzów Woiekopolski, Flatow/Złotów, Stettin/Szczecin, Meseritz/Międzyrzecz, Grünberg/Zielona Góra, Neusalz/Nowa Sól, Liegnitz/Legnica, Hirschberg/Jelenia Góra, Langenbielau/Bielawa bei Reichenbach/Dzierżoniów, Glatz/Kłodzk, Neiße/Nysa, Oppeln/Opole und Hindenburg/Zabrze.
Bereits 1947 begann das Kulturministerium in Abstimmung mit dem MZO die beiden größten regional verwalteten Museen in Gdańsk und Wrocław in staatliche Museen umzuwandeln. Diese Statusänderung wurde begründet mit deren „besonderen gesellschaftlich-kulturellen Aufgaben in den Wiedergewonnenen Gebieten“. Das so gebildete staatliche Museum in Wrocław erhielt die Aufgabe: „planmäßig humanistische Sammlungen anzulegen, zu pflegen und zu zeigen, die materialisierte polnische Kultur zu repräsentieren, unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der polnischen Kultur in Schlesien sowie allgemeine und polnische naturwissenschaftliche Sammlungen zu bilden, ebenfalls unter besonderer Berücksichtigung Schlesiens.“ Fast identisch war diese Aufgabe für Gdańsk formuliert, nur dass dort die Ostsee den Schwerpunkt bilden sollte.
Bis 1949 wurden in ganz Polen 123 museale Einrichtungen geschaffen. In den West- und Nordgebieten waren bis 1947 18 Museen, 1949 dann 34 Museen tätig, darunter zwei staatliche und ein kirchliches (Museum der Erzdiözese Wrocław). Bis 1956 kamen lediglich vier weitere Museen dazu.
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Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Polen 47% seines Vorkriegsterritoriums verloren. Die hinzugewonnenen Gebiete im Westen und Norden, die bis 1945 zu Deutschland gehört hatten, machten nun ein Drittel des Staatsgebietes aus. Diese neuen Gebiete mussten nun in das neue Staatswesen integriert werden, was eine enorme Herausforderung für das vom Krieg schwer gezeichnete Land darstellte.
Aus den 1946 vorgenommenen Aufstellungen über Zerstörungen von Kulturgütern und Kulturobjekten in der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit resultiert, dass die Verluste in den neuen polnischen Gebieten mit durchschnittlich 40,6% des denkmalgeschützten Raumes größer waren als in den anderen Regionen des Landes, wo die Zerstörungen durchschnittlich 37,8% ausmachten. In der Wojewodschaft Gdańsk lag der Zerstörungsgrad sogar bei 60%, in der Wojewodschaft Koszaliń bei 50%.
Die nach 1945 erfolgten Zerstörungen durch Plünderungen, Baumaterialgewinnung, zweckentfremdete Nutzung und fehlende Mittel zur Sicherung führten zu weiteren Verlusten unter den eigentlich denkmalgeschützten Objekten. Nach dem politischen Tauwetter im Oktober 1956 wurde durch Beschluss des VIII. Plenums des Zentralkomitees der PVAP am 6. Dezember 1956 eine Regierungskommission zur Entwicklung der Westgebiete ins Leben gerufen, die ein Programm zur wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung der Region erarbeiten sollte. Innerhalb dieser Struktur wurde durch Verordnung des Ministerratsvorsitzenden am 26. März 1957 eine Unterkommission für Sicherung, Wiederaufbau und Nutzung von Baudenkmalen gegründet, die vom stellvertretenden Kulturminister Tadeusz Zaorski geleitet wurde. Die Kommission stellte fest, dass das Problem der Sicherung und des Wiederaufbaus von Baudenkmalen wegen der drohenden vollständigen Zerstörung von besonderer Wichtigkeit ist. Auf Basis der von der Kommission gesammelten Materialien konnte festgestellt werden, dass es 1939 innerhalb der aktuellen Grenzen Polens insgesamt 35 735 denkmalgeschützte Gebäude mit einer Kubatur von 120 Mio. m3 gab. Davon entfielen ca. die Hälfte (51,4% der Gebäude und 45,4% der Kubatur) auf die neuen westlichen und nördlichen Gebiete Polens. Von den 1946 in diesen Gebieten existierenden 18 368 denkmalgeschützten Gebäuden waren 3 670 zerstört, 6 962 beschädigt, aber wiederaufbaufähig und 7 736 unbeschädigt. Von diesen eigentlich unbeschädigten Gebäuden wurden innerhalb der ersten zehn Nachkriegsjahre 2 271 (also ca. 30%) in Trümmerhaufen verwandelt bzw. abgetragen.
Neben den oben aufgeführten Gründen für diese Entwicklung spielte auch das Fehlen von Geldern zur Erhaltung eine große Rolle. In den Jahren 1945–1956 konnten mit den vorhandenen Mitteln lediglich 420 Objekte in der in Rede stehenden Region wiederaufgebaut werden, was eine Quote von 4% aller zerstörten bzw. beschädigten Gebäude entspricht. Zum Vergleich sei hier erwähnt, dass 1955 in ganz Polen lediglich 34 Mio. Złoty für Erhaltung und Wiederaufbau von denkmalgeschützten Gebäuden aufgewandt wurden, was 6,3% der eigentlich notwendigen Summe darstellte). Davon entfielen knapp 6 Mio. Złoty auf die West- und Nordgebiete.
Aus den präsentierten Zahlen lässt sich schlussfolgern, dass die in der offiziellen Propaganda ja eigentlich zu Polen zurückkehrenden Gebiete wirtschaftlich diskriminiert wurden.
Kriegszerstörungen und der massive Abtransport von Kunstwerken aus den neuen polnischen Gebieten hat dort zu einer starken kulturellen Verarmung geführt. Der Abtransport von Kulturgütern aller Art erfolgte zudem in hohem Maße unkontrolliert, weshalb es heute schwer bis unmöglich ist, festzustellen, welche dieser Objekte in den Museen und Magazinen Zentralpolens aufbewahrt werden, welche in private Hände gelangten und welche ins Ausland verschoben wurden.
Entsprechend den politischen Grundsätzen wurden in den neuen polnischen Gebieten vor allem neue Sammlungen aufgebaut, die den polnischen Charakter dieser Landesteile beweisen und illustrieren sollten. Deutsche Exponate oder Objekte wurde kaum präsentiert und wenn doch, dann unter Beseitigung aller Hinweise auf ihre deutsche Herkunft. Viele Objekte wurden auch schlicht in den Magazinen eingelagert, wo sie für die Machthaber nicht sichtbar waren. Für Museumsmitarbeiter und Denkmalschützer zählte letztlich der Wert dieser Objekte und nicht deren Herkunft.
Die nach Zentralpolen abtransportierten Objekte bereicherten die Sammlungen in den Museen von Warschau, Krakau und Posen. Erst in der zweiten Hälfte der 50er Jahre gab es erste Bemühungen seitens einzelner Museen und Kirchen, die abtransportierten Objekte zurück zu erhalten. Diese Bemühungen blieben aber fast ohne Ergebnis, so dass das Problem der Rückgabe von Kunstwerken innerhalb Polens nach wie vor aktuell ist und viele Kontroversen verursacht.
Die dank der Bemühungen von Denkmalschützern mit Unterstützung von Journalisten 1956 gebildete oben erwähnte Kommission beendete ihre Tätigkeit schon im Juni 1957. In ihrem letzten Bericht formulierte sie eine Reihe von Empfehlungen für die Regierung und die Behörden, zu deren wichtigsten gehören: eine vollständige Erfassung und Inventarisierung von beweglichen und unbeweglichen Kulturgütern in den Westgebieten, Einbeziehung von anderen Ministerien in den Wiederaufbau und die Bewirtschaftung der Objekte, Reorganisierung der Denkmalschutzbehörden, vor allem aber deren personelle Verstärkung und bessere finanzielle Ausstattung. Darüber hinaus wurde die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in den Denkmalschutz als ebenfalls sehr wichtig erachtet, „da die katastrophale Situation der einzelnen Objekte auch in hohem Maße aus dem fehlenden Verständnis für die Rolle der Hersteller von Kultur resultiert, insbesondere in den Westgebieten, wo der größte Teil der Bevölkerung nach der Wiedererlangung dieser Territorien aus anderen Regionen Polens zugeströmt ist und deshalb keine traditionelle Bindung an die örtlichen Baudenkmale hat.“
Aus dem Polnischen übersetzt von Matthias Barelkowski, Berlin