Die militärische Aggression der Russländischen Föderation gegen die Ukraine
Volodymyr V. Holovko: Die militärische Aggression der Russländischen Föderation gegen die Ukraine
Die militärische Aggression der Russländischen Föderation (RF) gegen die Ukraine ist die Gesamtheit militärischer, politischer, ökonomischer, informatorischer und anderer feindlicher Handlungen Russlands gegen den ukrainischen Staat und die ukrainische Gesellschaft in den Jahren 2014 bis 2020. Das Ziel dieser Aktivitäten zu verschiedenen Zeitpunkten bestand darin, die Unabhängigkeit der Ukraine zu beseitigen, sie von ihrem Kurs in Richtung einer europäischen und transatlantischen Integration abzubringen, Teile des ukrainischen Staatsgebietes einzunehmen, pseudostaatliche Konstrukte zu bilden, das ökonomische, wissenschaftliche und technologische Potenzial zu reduzieren, die gesellschaftliche und politische Lage zu destabilisieren sowie die internationale Situation des Landes zu schwächen. Dieses Ziel sollte mithilfe eines Netzwerkes von Einflussagenten und angeworbener Kämpfer, durch Unterstützung illegaler und krimineller bewaffneter Gruppierungen, durch Raketen- und Artilleriebeschüsse des ukrainischen Staatsgebietes, durch die Invasion regulärer militärischer Kampfeinheiten der Streitkräfte der Russländischen Föderation, durch die Durchführung terroristischer Akte und Cyberattacken, durch die Durchführung von Informationskampagnen mit dem Ziel innenpolitische Krisen auszulösen, sowie durch die Eroberung ukrainischer Militär-, ziviler Schiffe usw. erreicht werden.
Terminologie und Zeitrahmen
Die gegen die Ukraine gerichteten feindlichen Handlungen Russlands waren vielschichtig und von langer Dauer. Auf verschiedenen Etappen zeichneten sie siсh durch unterschiedliche Intensität und einen unterschiedlichen Umfang der Einbeziehung ukrainischer und ausländischer Staatsangehöriger aus, was eine exakte terminologische Eingrenzung erschwert. Für die Beschreibung gleich mehrerer Prozesse bedarf es einer entsprechenden Terminologie: die russländische Okkupation der Halbinsel Krim, die Entfaltung separatistischer Bewegungen sowie die Beteiligung regulärer russländischer Truppen, Sabotage- und Terrorakte mit Hilfe paramilitärischer Strukturen sowie die Anwendung von Methoden eines Informationskrieges und Propaganda in globalem Maßstab usw. In der Forschungsliteratur in der Ukraine werden solche Begriffe verwendet wie „russ(länd)isch-ukrainischer Krieg“, „Befreiungskrieg“, „Unabhängigkeitskrieg“. Ebenso wird versucht, die Begriffe „hybrider Krieg“ und „Stellvertreterkrieg“ zu benutzen. Zugleich bemüht sich die russländische Propaganda unter anderem auch unter dem Deckmantel pseudowissenschaftlicher Publikationen, die These von einem „innerukrainischen Konflikt“, einem „Bürgerkrieg“ u.ä. zu verbreiten und bestreitet dabei die Beteiligung eigener offizieller Strukturen an den gegen die Ukraine gerichteten aggressiven Handlungen.
Die feindlichen Handlungen der Russländischen Föderation fallen unter die UNO-Resolution „Die Definition des Begriffs Aggression“ vom 14. Dezember 1974. Das Hauptmerkmal, nach dem sich die Handlungen Russlands als „militärische Aggression“ bezeichnen lassen, ist die Tatsache, dass sich russländische militärische Truppen und andere Kampfverbände auf dem Staatsgebiet der Ukraine, nämlich auf der Krim aufhalten, was auch von russländischer Seite zugegeben wird, sowie in den einzelnen Rayons der Gebiete Donec’k und Luhans’k (ukr.: okremi rajony Donec’koï ta Luhans’koï oblastej, ORDLO), wobei allerdings hier die Beteiligung russländischer Truppen zwar durch die internationale Staatengemeinschaft, nicht jedoch von Russland eingeräumt wird. Die bewaffnete Aggression wird im internationalen Recht als ein schweres Verbrechen betrachtet; eine Verjährung ist nicht möglich.
Der Anfang der militärischen Aggressionen durch Russland wird auf den 20. Februar 2014 datiert, als eine russländische Militäroperation zur Besetzung der Halbinsel Krim begonnen wurde. Von einem Ende des Konfliktes mit Russland kann erst nach einer vollständigen Rückgabe der temporär okkupierten Autonomen Republik Krim und der Rayons der Gebiete Donec’k und Luhans’k an die Ukraine die Rede sein.
Die militärische Aggression der RF gegen die Ukraine entwickelte sich in den folgenden Etappen: 1) die Okkupation der Krim (aktive Phase: 20. Februar bis 18. März 2014); 2) Organisation prorussländischer Straßenproteste (März bis Mitte April 2014); 3) Diversionen und terroristische Aktivitäten (zweite Aprilhälfte bis Juni 2014; die ersten drei Phasen werden in der russländischen Propaganda als „Russischer Frühling“ bezeichnet); 4) Militärkampagne Juli bis Anfang September 2014 (bis zur Unterzeichnung des ersten Minsker Abkommens); 5) Militärkampagne Januar bis Februar 2015 (bis zur Unterzeichnung des zweiten Minsker Abkommens); 6) Stellungskrieg (März 2015 bis heute), welcher mit diplomatischen und geheimdienstlichen Konfrontationen, aber auch mit militärischen Eskalationen einherging (Kämpfe bei Mar’ïnka sowie auf dem Svitlodarer Bogen, Krise von Kerč usw.).
Voraussetzungen für die militärische Aggression
Territoriale Ansprüche seitens Russlands gegen die Ukraine wurden bereits vor dem Zerfall der UdSSR geäußert. Vorgebracht wurden sie unter anderem von einer Reihe russländischer Abgeordneter im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Abkommens zwischen den Ukrainischen und den Russländischen Sowjetrepubliken 1990. Als Reaktion auf die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine wurden auf russländischer Seite Drohungen geäußert, vom russländischen Präsidenten Boris El’cin über seinen Pressesprecher Pavel Voščanov sowie vom damaligen Moskauer Bürgermeister Gavriil Popov. Während der Verhandlungen über die Auflösung der UdSSR und der Schaffung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten versuchte Boris El’cin die Frage des Status der Krim aufzuwerfen. Weitere Fragen, die als Antrieb für die aggressiven Schritte Russlands dienten, waren das Schicksal der Atomwaffen auf dem Staatsgebiet der Ukraine, die Unterordnung und im weiteren Verlauf die Bedingungen für eine Teilung der Schwarzmeerflotte der UdSSR. Man übte Druck aus: in Form von Preiserhöhungen bei den Energieträgern, durch das Entfachen separatistischer Stimmungen auf der Krim und in Transkarpatien, durch die Proklamation von Sevastopol’ als russische Stadt usw. Nach der Unterzeichnung des Budapester Memorandums 1994 und des Vertrages über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen der Russländischen Föderation und der Ukraine 1997 verringerte sich die Aggressivität Russlands etwas. Russland bevorzugte nun „Softpower“-Methoden, welche darauf zielten, die Ukraine im eigenen Einflussbereich (durch die GUS) zu behalten und sie für neue Integrationsprojekte (im Rahmen eines Eurasischen Wirtschaftsraums) zu gewinnen. Diese Vorgehensweise wurde durch die Wahl Vladimir Putins zum neuen russländischen Präsidenten am 31. Dezember 1999 forciert.
Nach der „Orangenen Revolution“ 2004 und der Wahl Viktor Juščenkos zum Präsidenten der Ukraine am 23. Januar 2005 nahm Russland die intensiven feindlichen Handlungen gegen die Ukraine wieder auf. Hierfür wurde Druck mit Hilfe prorussländischer Medien in der Ukraine sowie allgemein zugänglicher russländischer Medien ausgeübt; es wurden Handelsbarrieren errichtet und die sog. Gaskriege entfacht, welche im Januar 2006, im Februar bis März 2008 und ganz besonders drastisch im Januar 2009 andauerten. Gleichzeitig wurde den Einwohnern der Autonomen Republik Krim die russländische Staatsbürgerschaft verliehen, während Einflussagenten in ukrainische Staatsorgane, Behörden, Staatsstrukturen, politische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen eingeschleust wurden. 2008 gab es offene militärische Drohungen. Während einer Sitzung des Russland-NATO-Rates drohte Putin mit der Besetzung der Krim sowie der südlichen und der östlichen Regionen des Landes, sollte die Ukraine dem Nordatlantikpakt beitreten.
Nach dem Wahlsieg von Viktor Janukovyč 2010 versuchte Russland seinen Einfluss auf die ukrainische Wirtschaft auszuweiten und setzte eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer der russländischen Schwarzmeerflotte auf ukrainischem Staatsgebiet nach 2017 durch (sog. Charkiv-Verträge).
Die nächste Verschärfung aggressiver russländischer Ukraine-Politik erfolgte im Zusammenhang mit dem Abschluss des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, der für November 2013 geplant war. Seit dem Sommer kamen vermehrt prorussländische zivilgesellschaftliche Organisationen und Medien auf den Plan, die sich gegen die Unterzeichnung des Abkommens aussprachen. Im August erschwerte die russländische Regierung Zollverfahren zur Einfuhr ukrainischer Waren. Putin führte eine Reihe von Verhandlungen mit Janukovyč durch, in denen er unter anderem mit der Annexion ukrainischer Gebiete drohte, sollte die Ukraine assoziiertes Mitglied der EU werden. Letzten Endes entschloss sich der ukrainische Präsident zu einem Verzicht auf einen proeuropäischen Kurs und zu einer Annäherung in Richtung einer Zollunion mit Russland. Die „Revolution der Würde“ 2013/14 kam ihm dabei in die Quere. Putin forderte Janukovyč dazu auf, die Proteste gewaltsam auseinanderzujagen. Nachdem der Euromajdan am 18. und 19. Februar 2014 trotz der Erstürmung durch die Truppen des Innenministeriums und durch die Sondereinheit der Polizei „Berkut“ standhielt, wurde sich die russländische Führung dessen bewusst, dass der Sturz Janukovyčs nur eine Frage der Zeit sei und dass sich die Ukraine auch weiterhin auf einem proeuropäischen Kurs befinde. Daraufhin entschloss sie sich zu einem militärischen Eingreifen.
Okkupation der Krim – Besetzung der ukrainischen Gebiete durch die RF
Die aktivste Phase dieses Prozesses fällt in die Monate Februar und März 2014. Bei der Vorbereitung des Angriffs handelte die RF vor allem durch örtliche Einflussagenten sowie über inoffizielle Kanäle. Unmittelbare Verhandlungen mit Anführern der örtlichen Eliten bezüglich der Beteiligung an der Annexion ukrainischen Territoriums begannen Mitte Januar 2014. Der russische Oligarch Konstantin Malofeev sowie Dmitrij Sablin, Mitglied des Föderationsrates, die die orthodoxen Heiligtümer „Die Gaben der Weisen“ auf die Krim begleiteten, traten als Abgesandte in Erscheinung. Die russländischen Geheimdienste sowie die Führung der russländischen Schwarzmeerflotte waren auch beteiligt. Laut Zeugenaussagen, die von russländischen Journalisten zusammengestellt wurden, begannen unter den russländischen Militärs bereits Anfang Februar Informationen über die Pläne einer Okkupation der Krim zu kursieren.
Um die ukrainische Machtposition zu schwächen, versuchten ab Mitte Februar einzelne politischen Kräfte auf der Krim, einen möglichen Rücktritt der Regierung der Autonomen Republik (AR) Krim auf die politische Agenda zu setzen. Diese bestand vor allem aus den Vertretern der politischen Elite der Donec’ker Region und wurde von Anatolij Mohyljov, einem Vertrauten Janukovyčs, angeführt. Unter anderem forderten sie die Ausweitung der Rechte für die Autonomie und organisierten prorussländische Kundgebungen, deren Teilnehmer bezahlt wurden. Die politische Führung und die Geheimdienste, die auf die Auseinandersetzung mit dem Euromajdan fokussiert waren, stellten sich diesen Aktivitäten fast nicht in den Weg.
Am 19.–20. Februar hielt sich Volodymyr Konstantynov, Sprecher des Parlamentes der AR Krim, in Moskau auf. Nach offiziellen Berichten traf er sich mit Sergej Naryškin, dem Präsidenten der russländischen Staatsduma, mit Vertretern der Kommunistischen und der Liberaldemokratischen Partei sowie der Parteien „Gerechtes Russland“ und „Einiges Russland“. Auf der abschließenden Pressekonferenz erklärte Konstantynov, dass die AR Krim im Falle eines Sieges des Euromajdan in Kyïv die „Entscheidung des Präsidiums des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion von 1954“, die Halbinsel in die Ukrainische Sowjetrepublik überzuführen, für aufgekündigt betrachten würde.
Nach einer politischen Vorbereitung begann Russland am 20. Februar die militärische Phase. Ab diesem Zeitpunkt lässt sich eine Vermehrung russländischer Truppen auf der Krim beobachten. Dieses Datum steht auf der Medaille des Verteidigungsministeriums der RF „Für die Rückholung der Krim“. Der russländische Präsident Vladimir Putin leitete persönlich von seiner Residenz in Novo-Ogarëvo aus die „Operation Krim“. Beteiligt daran waren ebenso der Verteidigungsminister der RF Sergej Šojgu sowie Nikolaj Patrušev, Sekretär des Sicherheitsrates der RF, Aleksandr Bortnikov, Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB, und Sergej Ivanov, Leiter der Administration des russländischen Präsidenten.
Russland nutzte die Demoralisierung der politischen Führung der Ukraine aus. Nach seiner Flucht aus Kyïv in der Nacht vom 21. auf den 22. Februar hoffte Janukovyč, die Eliten der östlichen und südlichen Gebiete auf seine Seite zu bringen, um die Macht im Land zurückzugewinnen. Nach erfolglosen Verhandlungen in Donec’k am 23. Februar schickten die Russen ihn auf die Krim. Doch auch hier stellte sich heraus, dass Janukovyč nicht nur auf die Unterstützung der Krimer Eliten nicht zählen könne, sondern ebenso wenig auf die seiner eigenen Leute: Die Leiter der örtlichen Behörden sowie Anatolij Mohyljov, Ministerpräsident der AR Krim, gingen ihm aus dem Weg. Aus diesem Grunde reiste Janukovyč am folgenden Tage nach Russland aus.
Mit der Destabilisierung der politischen Situation begann Russland in Sevastopol’. Hier kam es am 23. Februar zu einer prorussländischen Kundgebung, auf der Oleksij Čalyj, ein örtlicher Unternehmer mit russländischer Staatsbürgerschaft, zum „Volksbürgermeister“ erklärt wurde. Am nächsten Tag reichte Volodymyr Jacuba, der Leiter der Stadtverwaltung Sevastopol’, seinen Rücktritt ein (diesem Rücktrittsgesuch wurde erst am 7. März entsprochen, ab dem Zeitpunkt wurde diese Funktion von Fedir Rubanov wahrgenommen). Zur gleichen Zeit wurde auf der Webseite der Stadtverwaltung die Wahl Čalyjs zum „Bürgermeister“ für illegal erklärt und die neue Macht in der Ukraine anerkannt. Der Versuch von Sicherheitsbehörden, Čalyj festzunehmen, scheiterte jedoch am Widerstand der Demonstranten, bei denen es sich um Mitarbeiter seiner eigenen Firmen handelte. Daher gingen die städtischen Behörden einen Kompromiss ein: Die Stadtverwaltung Sevastopol’ schuf für Čalyj eine neue Position: die „Behörde zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der städtischen Infrastruktur von Sevastopol’“. Zudem wurde er zum Leiter des „Koordinationsrates“ mit unbestimmten Vollmachten ernannt. Am selben Abend wurden am Gebäude der Stadtverwaltung russländische Flaggen gehisst. Eine der ersten Entscheidungen Čalyjs bestand darin, sich zu weigern, die Anweisung des neuen ukrainischen Innenministers Arsen Avakov, nämlich die Polizei-Sondereinheit „Berkut“ aufzulösen, umzusetzen. Stattdessen wurde beschlossen, die „kommunale Polizeisondereinheit Berkut“ ins Leben zu rufen. Des Weiteren fungierte die von Čalyj geleitete Behörde als ein alternatives Machtzentrum. Dabei verließen sich die prorussländischen Separatisten in Sevastopol’ auf die offen zur Schau getragene militärische Unterstützung durch die Schwarzmeerflotte der RF.
Zum 24. Februar wurden auf der Krim bereits zusätzliche russländische Militäreinheiten versetzt, unter anderem Luftlandeeinheiten, die auf ihren Uniformen keine militärischen Abzeichen trugen. Auf der Halbinsel tauchten massenweise Mitglieder russländischer paramilitärischer und patriotisch eingestellter Militärorganisationen auf. So kamen alleine 450 „Kuban’-Kosaken“ über die Fährüberfahrt Kerč auf die Halbinsel. All dies geschah einerseits zur Verdeckung der aggressiven Intentionen Russlands, und andererseits konnte Russland im Falle einer antiterroristischen Operation seitens der ukrainischen Behörden somit bestreiten, dass die eigenen regulären militärischen Einheiten am Angriff beteiligt seien.
Am 26. Februar versuchte man, die Okkupation mit politischen Mitteln zu sichern: Zu deren Legalisierung berief Volodymyr Konstantynov eine außerplanmäßige Versammlung der Verchovna Rada der AR Krim ein. Diese fand aufgrund mangelnder Beschlussfähigkeit jedoch nicht statt, und Protestaktionen vor dem Parlamentsgebäude verhinderten es, dass die Versammlung trotzdem durchgeführt wurde. Proukrainische Kräfte versammelten über 12 000 Anhänger, denen einige tausend prorussländisch eingestellte Bürger gegenüberstanden. In dieser Situation wurde ein massenhaftes Blutvergießen gerade noch verhindert, obwohl zwei Personen umkamen, die von der Menschenmenge totgetrampelt wurden.
Das Scheitern der außerplanmäßigen Sitzung des Parlaments der Krim veranlasste die russländische Führung zu aktivem machtpolitischem Handeln. In der Nacht zum 27. Februar 2014 eroberten russländische Militärs ohne Hoheitszeichen, die in ukrainischen und westlichen Medien als „grüne Männchen“ bezeichnet wurden, das Parlamentsgebäude sowie das Gebäude des Ministerrates der AR Krim in Simferopol’. Das Ziel bestand darin, es Konstantynov zu ermöglichen, trotz fehlender notwendiger Beschlussfähigkeit eine außerplanmäßige Sitzung abzuhalten. Auf dieser wurde Anatolij Mohyljov zum Rücktritt gezwungen. Zum neuen Regierungschef wurde Sergej Aksënov, der Anführer der Partei „Russische Einheit“, ernannt. Zudem wurde für den 25. Mai 2014 ein Referendum über den Status der AR Krim angesetzt. Die zu beantwortende Frage wurde folgendermaßen formuliert: „Verfügt die Autonome Republik Krim über staatliche Selbständigkeit und ist sie auf der Grundlage von Verträgen und Abkommen Bestandteil der Ukraine?“ Als Antworten standen „ja“ und „nein“ zur Auswahl. Aber schon damals sorgte die russländische Staatsduma für veränderte, an die Krim-Situation angepasste Modalitäten zur Eingliederung neuer Gebietskörperschaften in die Russländische Föderation.
Gleichzeitig mit dem politischen Umsturz in Simferopol’ kam es zur Blockade ukrainischer Militäreinheiten und Transportwege vom ukrainischen Festland auf die Halbinsel durch das russländische Militär. Ortansässige und russländische Staatsbürger begannen unter dem Vorwand angeblicher Selbstverteidigung mit der Blockade, woraufhin russländische Spezialeinheiten eingriffen. Zudem wurden Schiffe der ukrainischen Seestreitkräfte blockiert. Indem die Hauptverwaltung des militärischen Nachrichtendienstes des Generalstabs der Streitkräfte der RF die Verbindung zwischen Kyïv und den örtlichen Sicherheitsbehörden kappte, erschwerte sie die Koordinierung der Militäreinheiten und der Geheimdienste. Es kam zur Besetzung der Flughäfen Simferopol’ und Bel’bek. Am 28. Februar wurde die staatliche Rundfunkanstalt der Krim, auf deren Gelände sich ein Fernsehsender befand, besetzt. Daraufhin wurden ukrainische Fernsehsender abgeschaltet, wohingegen russländische Sendungen weiter ausgestrahlt wurden. Diese blieben mit die wichtigsten Informationsquellen zu den aktuellen Ereignissen. Es kam zur Blockade von Transportwegen zwischen dem ukrainischen Festland und der Halbinsel. Auf der Landenge von Perekop und auf der Halbinsel Čonhar waren auf Kontrollposten „Berkut“-Einheiten von der Krim sowie „Kuban’-Kosaken“ (letztere stellten die Mehrheit dar) stationiert, unterstützt von schwer bewaffneten russländischen Militäreinheiten (der offizielle Vorwand dafür waren Militärübungen, die die Streitkräfte der Ukraine im Süden des Landes durchführten).
Kyïv erkannte den illegitimen Machtwechsel in Simferopol’ und in Sevastopol’ nicht an. Jedoch erteilte die Militärführung keinen Befehl zur Gewaltanwendung gegenüber den Angreifern. Ein solcher Beschluss wurde auf der Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine am 28. Februar gefällt. Dies lag vor allem an der militärischen Dominanz Russlands auf der Halbinsel, aber auch daran, dass im Falle einer antiterroristischen Operation das russländische Militär eine direkte Invasion in Richtung Donec’k, Charkiv und Kyïv hätte starten können. Berücksichtigung fanden auch prorussländische Stimmungen der Krim-Bevölkerung sowie der Mangel an notwendigen kampffähigen Militäreinheiten sowohl auf der Halbinsel als auch auf dem ukrainischen Festland. Ihor Tenjuch, stellvertretender ukrainischer Verteidigungsminister, konstatierte damals, dass es nur 5 000 kampffähige Wehrdienstleistende gäbe, die man auf die Krim schicken könnte, und von 15 000 Soldaten, die auf der Krim stationiert waren, zeigten bis zu 2 000 Personen die Bereitschaft, militärische Befehle auszuführen. Ihnen standen russländische Militärverbände gegenüber, die nur nach offiziellen Zahlen 20 000 Personen zählten, eine Zahl, die in Wirklichkeit aber viel höher lag. Außer ihnen zog Russland hunderte von Zivilisten heran: die Mitglieder von „Kosakenorganisationen“, ehemalige Afghanistankämpfer, Boxer, Rockerbanden, Mitglieder von patriotisch-militärischen Klubs sowie Securitymitarbeiter. Diese stellten sich getarnt als Krim-Einwohner dem ukrainischen Militär in den Weg und sorgten somit für geeignete, später in den Medien übertragene Bilder.
Laut Ermittlungen der ukrainischen Militärstaatsanwaltschaft wurden die Soldaten der Krim zuvor teilweise von den russländischen Geheimdiensten angeworben. Dies lässt sich dadurch belegen, dass sich vor allem jene Offiziere als Verräter entpuppten, deren Einheiten sich als erste der russländischen Aggression zu widersetzen hatten (Aufklärer, Küstenwache, Kommunikationsdienste). Seit dem Beginn der Blockade von Militäreinheiten wurde den ukrainischen Soldaten von russischer Seite angeboten, die Seite zu wechseln. Im Endergebnis wurden auf der Krim wegen Verrats an ihrem Militäreid mehr als 12 000 Angehörige des Innerministeriums, 1 371 Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) auf der Krim und in Sevastopol’ sowie 413 Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft der AR Krim entlassen. Darüber hinaus traten schätzungsweise mehr als 10 000 Angehörige des ukrainischen Militärs den russländischen Streitkräften bei.
Russland übte Druck auf die ukrainische Führung aus. Sergej Naryškin, Vorsitzender der Staatsduma, rief Oleksandr Turčynov an und drohte ihm im Namen Putins: Sollte auch nur ein einziger russländischer Militärangehöriger umkommen, so werden die ukrainischen Regierungsbeamten zu Kriegsverbrechern erklärt und weltweit verfolgt. Außerdem wurde erklärt: Falls der die Aufgaben des Präsidenten der Ukraine wahrnehmende Turčynov versuchen sollte, auf die Krim zu fliegen (eine Sondereinheit sollte dafür sorgen, dass die Führung der Separatisten von der Krim festgenommen wurde), würde man sein Flugzeug abschießen.
Am 28. Februar rief die Verchovna Rada Russland dazu auf, sämtliche aggressiven Handlungen einzustellen, sowie die anderen Staaten, die das Budapester Memorandum unterzeichnet hatten, die Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu bestätigen. Zudem wurden die OSZE und der Europarat aufgefordert, die Einhaltung der Bürgerrechte der Vertreter aller Nationalitäten und Religionen auf der Krim und in allen anderen Regionen des Landes zu überprüfen.
Am 1. März schickte der mit Beschluss der Verchovna Rada abgesetzte Präsident Janukovyč von Rostov am Don (RF) an den russländischen Präsidenten Putin einen Brief mit einer Erklärung. Darin forderte er unter Bezug auf den Russländisch-Ukrainischen Freundschaftsvertrag Russland dazu auf, militärische Einheiten in die Ukraine zu schicken zur „Wiederherstellung von Rechtmäßigkeit, Frieden, Rechtsordnung, Stabilität und Schutz der Bevölkerung in der Ukraine“. Er behauptete, dass es unter dem Einfluss der westlichen Staaten im Südosten und auf der Krim zu Terror und Repressionen gekommen sei. Dieses Dokument wurde am nächsten Tag vom Vertreter Russlands im UN-Sicherheitsrat veröffentlicht und fand weiter zur formalen Rechtfertigung der militärischen Intervention auf der Krim Verwendung. Am 4. März 2014 erhielt Putin vom Föderationsrat der RF grünes Licht für den Einsatz regulärer russländischer Truppen auf ukrainischem Staatsgebiet.
Am 1. März versetzte Turčynov auf Grundlage der Entscheidung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine per Erlass die Armee in vollständige Kampfbereitschaft und ließ Reservisten einziehen. Die westlichen Partner der Ukraine, die die aggressiven Absichten Russlands verkannten in der Hoffnung, es handele sich dabei um bloßes Säbelrasseln, lehnten den Einsatz von Waffen in der Ukraine ab. Am 5. März fanden zwischen der Ukraine, den USA und Großbritannien Konsultationen nach dem Budapester Memorandum statt. Letztere äußerten sich deutlich zugunsten der territorialen Unversehrtheit der Ukraine, während die Russländische Föderation, die ebenso eingeladen war, das Treffen ignorierte. Die USA und Großbritannien wiesen im Übrigen darauf hin, dass das Dokument de jure keine Vereinbarung für Sicherheitsgarantien darstelle. Andere Atommächte wie Frankreich und China interpretierten das Memorandum so, dass sie selbst keine Bedrohung für die Ukraine darstellten, jedoch nicht dazu verpflichtet seien, Drittstaaten zur Umsetzung des Memorandums zu zwingen. Dabei sprach sich Frankreich für die Unterstützung der Ukraine aus, wohingegen China sich jeglicher Erklärungen enthielt. Putin seinerseits erklärte, dass die Ukraine nach der Revolution der Würde, die in der russländischen Terminologie als Staatsstreich bezeichnet wurde, nicht mehr der Rechtsnachfolger des Staates sei, welcher das Budapester Memorandum unterzeichnet hatte. Dmitrij Medvedev, Ministerpräsident der RF, sagte, dass dieses Dokument Russland dazu verpflichte, die Ukraine nur vor Angriffen durch Drittstaaten zu beschützen.
Ab Anfang März blockierten russische Schiffe, angeführt vom Raketenkreuzer „Moskva“, die Ausfahrt aus dem See Donuzlav, indem sie den Zugang zum südlichen Marinestützpunkt der Ukraine und zu einigen weiteren Objekten, die der ukrainischen Seekriegsflotte unterstellt waren, versperrten. Um die Durchfahrt zu erschweren, versenkten die Russen absichtlich beim Auslaufen das ausrangierte Schiff „Očakiv“ und legten den Schlepper vor Anker. Ebenso wurden die beiden Minensuchschiffe „Černihiv“ und „Čerkasy“ das Minenräumschiff „Heničes’k“, das Torpedofangboot „Cherson“ sowie die beiden Landungsfahrzeuge „Kirovohrad“ und „Kostjantyn Ol’šans’kyj“ blockiert.
Russland machte sich die Schwäche der ukrainischen Regierung und die Ratlosigkeit der internationalen Staatengemeinschaft zunutze und nahm Kurs auf eine beschleunigte Annexion der AR Krim und der Stadt Sevastopol’. Am 3. März wurde das „Referendum“ vom 25. Mai, als die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine stattfinden sollten, auf den 30. März vorgezogen. Diese Entscheidung traf nicht das Parlament der AR Krim, sondern dessen Präsidium auf Antrag von Sergej Aksënov. Am 6. März wurde das „Referendum“ abermals vorgezogen, dieses Mal auf den 16. März. Gleichzeitig wurden die Fragen des „Referendums“ korrigiert. Sie wurden wie folgt formuliert:
- „Sind Sie für die Vereinigung der Krim mit Russland als eine Gebietskörperschaft innerhalb der Russländischen Föderation“?
- „Sind Sie für eine Wiederherstellung der Verfassung der Republik Krim aus dem Jahre 1992 und für den Status der Krim als ein Teil der Ukraine?“
Am 1. März legte der Stadtrat von Sevastopol’ das unrechtmäßige „Referendum“ fest und beauftragte die von Oleksij Čalyj geleitete „Behörde zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der städtischen Infrastruktur von Sevastopol’“ mit dessen Umsetzung. Diese Maßnahmen wurden ausgelöst durch den Wunsch Moskaus, dem westlichen Ausland möglichst wenig Gelegenheit zum Widerstand gegen die Okkupation zu bieten sowie die Ukraine am Bündeln eigener Kräfte zu hindern. Die russländischen Geheimdienste intensivierten ihre Arbeit bei der Organisation von Straßenprotesten in den südlichen und östlichen ukrainischen Regionen.
Am 11. März verabschiedeten der Stadtrat von Sevastopol’ und das Parlament der AR Krim die Erklärung über die staatliche Souveränität. Die Verchovna Rada beschloss, sich an die Staaten, die die Sicherheit der Ukraine garantierten, mit einem Appell zu wenden, welcher die Forderung an Russland enthielt, die militärischen Aggressionen einzustellen, sowie die westlichen Staaten aufzufordern, „praktische Maßnahmen anzuwenden, die auf die Gewährleistung der territorialen Unversehrtheit und der Verteidigung der Ukraine ausgerichtet“ sind.
Am 14. März 2014 erklärte das Verfassungsgericht der Ukraine das Referendum als nichtverfassungsgemäß an. Am darauffolgenden Tag beschloss die Verchovna Rada, das Parlament der Krim aufzulösen. Dessen ungeachtet fand das „Referendum“ am 16. März statt, und zwar mit zahlreichen Rechtsverstößen. Dies wurde insbesondere durch den Rat zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und für Menschenrechte bei dem russländischen Präsidenten festgehalten, doch im nach hinein wurde der entsprechende Bericht als „inoffiziell“ bezeichnet. Nach offiziellen russländischen Angaben wurde die Annexion mit 96,77% der Stimmen auf der Krim (2,51% waren für die Wiederherstellung der Verfassung von 1992) bzw. mit 95,6% in Sevastopol’ befürwortet. Die ukrainischen Bürger sowie die Krimtataren boykottierten die russländische Aktion. Das Resultat wurde von den meisten Staaten nicht anerkannt.
Am 17. März verabschiedete die Verchovna Rada das Gesetz „Über die Bestätigung des Erlasses des Präsidenten der Ukraine ,Über die Teilmobilmachung‘“. Noch am selben Tag unterschrieb Putin den Erlass „Über die Anerkennung der Republik Krim“. Am 18. März wurde das „Abkommen zwischen der Russländischen Föderation und der Republik Krim bezüglich der Aufnahme der Republik Krim in den Bestand der Russländischen Föderation und der Schaffung neuer Gebietskörperschaften im Bestand der Russländischen Föderation“ unterzeichnet. Gemäß diesem Dokument sollte die Übergangszeit für die Integration neuer Gebietskörperschaften in das Wirtschafts-, Finanz-, Kredit- und Rechtssystem der Russländischen Föderation bis zum 1. Januar 2015 andauern. Personen, die den Wehrdienst leisteten oder bis 2016 in die russländischen Streitkräfte eingezogen werden sollten, sollten auf dem Territorium der Halbinsel dienen. Die russische, ukrainische und krimtatarische Sprache wurden formal als Amtssprachen anerkannt, wobei die letzteren beiden, wie die Ereignisse in den nachfolgenden Jahren zeigten, faktisch aus dem Gebrauch in staatlichen Behörden, aber auch aus dem öffentlichen Raum verdrängt wurden. Schließlich wurden alle Bewohner der Halbinsel Krim automatisch als Bürger der Russländischen Föderation anerkannt mit Ausnahme derer, die im Verlaufe eines Monats einen Antrag stellten auf Beibehaltung der ukrainischen Staatsbürgerschaft. Bis zum 21. März 2014 führten die russländischen Machthaber alle Formalitäten zur Aufnahme der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sevastopol’ in den Bestand der Russländischen Föderation durch. Noch am selben Tag wurde der Krimer Föderationskreis geschaffen.
Seit dem Moment, als das Abkommen unterzeichnet wurde, begann die Aneignung ukrainischer Militäreinheiten und Schiffe auf der Krim, die den Besatzern weiter Widerstand leisteten. Während des Sturms des 13. photogrammetrischen Zentrums der Hauptverwaltung der operativen Sicherung der ukrainischen Streitkräfte in Simferopol’ durch russländische Spezialeinheiten, die Igor’ Girkin (Pseudonym: Strelkov) leitete, wurde am 18. März Serhij Kokurin, Fähnrich der ukrainischen Streitkräfte, getötet. Dabei gaben sich die russländischen Medien alle Mühe, das Verbrechen einem anonymen „17-jährigen Scharfschützen aus dem ‚rechten Sektor‘ aus dem Gebiet L’viv“ in die Schuhe zu schieben, der angeblich mit dem Ziel einer Provokation auch den russländischen Soldaten Ruslan Kozakov erschoss. Am folgenden Tag wurde das Oberkommando der Seestreitkräfte der Ukraine und der Militärstützpunkt in Donuzlav eingenommen. Die Besatzungsverwaltung auf der Krim erklärte, dass das „Vermögen, darunter auch Militärtechnik und Waffen, Staatseigentum der Krim“ sei. Die Schiffe „Čerkasy“, „Heničes’k“ und „Kostjantyn Ol’šans’kyj“ ergaben sich dem verbrecherischen Befehl nicht und versuchten mehrmals, wenn auch vergeblich, aus dem Donuzlav auszulaufen. Am 24. März eroberten die Russen die „Heničes’k“ sowie die „Kostjantyn Ol’šans’kyj“, am 25. März die „Čerkasy“. Insgesamt eroberten die Russen auf der Krim 70 ukrainische Schiffe und Wasserfahrzeuge.
Am 24. März wurde der Erlass Turčynovs über die Verlegung der Militäreinheiten, Einrichtungen und Organisationen der ukrainischen Streitkräfte, anderer Militärformationen und Rechtspflegeorgane aus dem temporär okkupierten Gebiet der Autonomen Republik in andere Regionen der Ukraine veröffentlicht. Am Vortag fasste der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine einen entsprechenden Entschluss – man wollte Blutvergießen vermeiden und die Seestreitkräfte, aber auch Waffen und Militärtechnik behalten. Am folgenden Tag wurde nach den Ergebnissen der Verhandlungen zwischen Mychajlo Kucyn, dem Leiter des Generalstabes der ukrainischen Streitkräfte, und Valerij Gerasimov, dem Leiter des Generalstabes der russländischen Streitkräfte, folgende Übereinkunft getroffen: Alle ukrainischen Militäreinheiten mit den gemäß den Statuten dazugehörenden Waffen sollten die Krim verlassen. Nach Einschätzung des ukrainischen Verteidigungsministeriums belief sich der Wert des auf der Krim verbliebenen militärischen Vermögens auf über elf Milliarden US-Dollar.
Blutvergießen konnte nicht ganz verhindert werden. In der Nacht auf den 6. April tötete im Dorf Novofedorivka (Rayon Saky auf der Krim) Evgenij Zajcev, Unteroffizier der Marineinfanterie der russländischen Schwarzmeerflotte, Stanyslav Karačevs’kyj, den Leiter der operativen Abteilung des Oberkommandos der 10. Marineflugbrigade der ukrainischen Streitkräfte, mit einem Schuss in den Rücken. Für dieses schwere Verbrechen verhängte ein Gericht in Russland demonstrativ eine milde Strafe: zwei Jahre Strafkolonie.
Die russische Seite erschwerte und behinderte die Verlegung ukrainischer Militärtechnik und gab sich alle Mühe, sie unbrauchbar zu machen. In den Monaten April und Mai 2014 gab Russland der Ukraine in neutralen Gewässern mehrere dutzend Schiffe und Wasserfahrzeuge zurück. Mit der Zunahme russländischer militärischer Aggressionen im Donbas wurde die Rückgabe von Waffen und Militärtechnik beendet. Am 5. Juli 2014 erklärte das russländische Außenministerium, dass die Übergabe von Waffen und Technik von der Krim erst nach der „vollständigen Einstellung von Kampfhandlungen im Donbas durch ukrainische Streitkräfte“ wieder aufgenommen werden würde. Letzten Endes verblieben auf der Krim elf Schlachtschiffe, darunter auch das berühmte Landungsfahrzeug „Kostjantyn Ol’šans’kyj“, das Leitungsschiff „Slavutyč“, die U-Boot-Abwehrschiffe „Ternopil’“ und „Luc’k“, die Minensuchboote „Čerkasy“ und „Černihiv“, das U-Boot „Zaporižžja“ sowie das Seenotrettungsboot „Kremenec’“. Im Januar 2018 erklärte Putin, dass Russland bereit sei, der Ukraine Kriegsschiffe, Panzer- und Flugtechnik zurückzugeben, und fügte hinzu, dass diese in einem miserablen Zustand seien, zumal sie in den vergangenen Jahren nicht gewartet worden seien. Die Ukraine ging auf diesen Vorschlag nicht ein.
Am 2. April 2014 kündigte Russland vier bilaterale Abkommen, welche den Aufenthalt seiner Schwarzmeerflotte auf ukrainischem Territorium regelten. Damit verfolgte man u.a. das Ziel, den wirtschaftlichen Druck auf die Ukraine zu verstärken: Es wurden automatisch die 2010 in Charkiv geschlossenen Abkommen aufgekündigt, die einen reduzierten Preis russischen Gases garantierten. Die Ukraine ihrerseits beschloss, Wasserlieferungen aus dem Dnipro auf die Krim zu stoppen, was 80% bis 87% des Bedarfes auf der Halbinsel, insbesondere in der Landwirtschaft, sichergestellt hatte.
Nach der Okkupation der Krim begann die Auflösung der Zivilgesellschaft. Dies betraf insbesondere die ethnischen Ukrainer und die Krimtataren. Man beschuldigte sie des Extremismus. Die russländischen Geheimdienste führten Durchsuchungen durch, beseitigten Nationalsymbolik sowie Bücher in ukrainischer und krimtatarischer Sprache, stellten die Tätigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen und Medien ein, verboten Aktivisten (darunter auch den Anführern des krimtatarischen Volkes Refat Čubarov und Mustafa Džemilyev) die Einreise, zwangen die Menschen auf der Halbinsel, ihre ukrainische Staatsbürgerschaft zugunsten der russländischen aufzugeben, schlossen ukrainische Schulen, Schulklassen, Fakultäten für ukrainische Philologie an den Hochschulen usw. Erstes Opfer der russländischen Besatzer wurde der krimtatarische Aktivist Rešat Ametov, der am 3. März entführt und am 15. März mit Folterspuren tot aufgefunden wurde. Diese Politik Russlands führte zu einer bedeutsamen Auswanderungsbewegung: Zehntausende waren gezwungen, ihre Wohnungen zu verlassen und auf das ukrainische Festland überzusiedeln. Russland seinerseits begünstigte die Binnenmigration, um die ethnische Zusammensetzung der Halbinsel zu verändern und den Anteil derjenigen Bevölkerung, die vor 2014 hier nicht gelebt hatte, zu vergrößern.
Zur Legitimierung seiner Macht auf der Krim organisierte Russland im September 2014 illegale Kommunalwahlen. Infolge der Okkupation befand sich die Wirtschaft der Krim in einer schweren Lage. Nach dem Anschluss an Russland und die Beendigung wirtschaftliсher Beziehungen mit der Ukraine, die sich im Laufe von Jahrzehnten herausgebildet hatten, bekam die Halbinsel es mit einer Reihe von Problemen zu tun, vor allem was die Verkehrsverbindungen sowie die Lebensmittel-, Wasser- und Energieversorgung betrafen. Zudem verlangsamte sich die ökonomische Entwicklung durch die Sanktionen des Westens und der Ukraine gegen juristische Personen (Firmen von der Krim und ausländische Firmen, die zur annektierten Halbinsel Geschäftsbeziehungen unterhielten) und gegen natürliche Personen (Politiker und ihre Förderer, die für die Annexion verantwortlich waren). Es wurden überdies Visabeschränkungen für Einwohner der Halbinsel beschlossen. Um Sanktionen zu entgehen, versuchten russische Firmen und Banken entsprechend, ihre Tätigkeit nicht auf die Halbinsel auszuweiten.
Infolge des durch die internationalen Sanktionen und den Preisverfall für russisches Erdöl bedingten starken Rückgangs der Einkünfte des russländischen Staatshaushaltes kürzte die russländische Regierung die geplante Finanzierung der Krim 2015 um das 3,7fache. Am 15. Juli wurde das Ministerium der RF für die Belange der Krim mit der offiziellen Erklärung aufgelöst, dass die Aufgaben zur Integration der Halbinsel in den Bestand Russlands abgeschlossen und dass dessen Funktionen dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung übertragen worden seien. In der Praxis jedoch hatte das Ministerium für die Belange der Krim nicht funktioniert; unter anderem hatte es keine Mittel aus dem öffentlichen Haushalt verteilt. Ende Juli 2016 erließ Putin ein Dekret zur Liquidierung des „Föderationskreises Krim“ und zur Eingliederung der Halbinsel in den Südlichen Föderationskreis. Auf diese Weise erhielt die Krim den Status einer gewöhnlichen russischen Region.
Russland führte die Militarisierung der Halbinsel durch. Insbesondere wurden autonome zum direkten Angriff geeignete militärische Einheiten geschaffen: Es wurde ein Luftlande- und Sturmregiment aufgestellt, das Personal der Marineinfanterieeinheiten wurde aufgestockt, strategische Flugzeuge wurden stationiert; zudem wurden Pläne zur Stationierung der operativ und taktisch wichtigen Raketensysteme „Iskander-M“ und „Iskander-K“ veröffentlicht. Maßnahmen zur Modernisierung der militärischen Infrastruktur und zur Aufstockung der russländischen Schwarzmeerflotte mit Schiffen wurden realisiert. Die Kapazitäten zur Aufbewahrung von Nuklearwaffen wurden erneuert. Reguläre Militärübungen der russländischen Armee, bei der auch zivile Infrastruktur zum Einsatz kam, waren bald an der Tagesordnung. Letzteres hatte eine Panik unter der örtlichen Bevölkerung zur Folge.
Auf internationalem Parkett versuchte Russland, die These zu verbreiten, dass die Frage der Zugehörigkeit der Krim endgültig „abgeschlossen“ sei. Die Krim-Frage nahm in der Verbreitung ideologischer Narrative des Putin-Regimes einen zentralen Platz ein. Die Präsidentschaftswahlen von 2018 wurden ganz bewusst auf den Tag des „Anschlusses“ der Halbinsel an Russland, nämlich auf den 18. März, gelegt. Dieses Thema war zentral im Wahlkampf von Putin, der unter anderem das historische Chersones (das Taurische Chersones) zum „russischen Mekka“ erklärte, mit dem einst der Aufstieg des zentralisierten russländischen Staates begann. Auf diese Weise wurde die Krim zum inhärenten Fundament des politischen Regimes, wie Putin es aufgebaut hatte, erklärt.
Mit Blick auf die militärische Aggression im Donbas und die Verstärkung der sozialen und ökonomischen Krise büßte die Krim-Frage für das offizielle Kyïv an Priorität ein, das gezwungen war, vor allem auf diplomatischem und gesetzgeberischem Wege zu handeln. Unter anderem wurde auf der Krim eine sog. „freie Wirtschaftszone“ eingerichtet, die 2021 wieder abgeschafft wurde. Im August 2014 verabschiedete die Verchovna Rada ein entsprechendes Gesetz, nach dem auf der Halbinsel juristische und natürliche Personen, die auf der Krim geblieben waren, bis zur Deokkupation von der Entrichtung von Steuern und Abgaben befreit würden, und erlaubte es, Abrechnungen in beiden Währungen zu erstellen, und örtlichen Banken, Hypothekenkredite nicht auszuzahlen.
Im Mai 2014 wurde die Vertretung des Präsidenten der Ukraine in der AR Krim nach Cherson verlegt. Deren Optimierung war das erklärte Ziel eines im Januar 2016 erlassenen Präsidentendekrets. Eine Behörde zur Reintegration und Deokkupation der AR Krim wurde gebildet. Am 17. Juli 2014 rief das Ministerkabinett der Ukraine eine staatliche Behörde zur AR Krim, der Stadt Sevastopol’ und den temporär umgesiedelten Menschen ins Leben. Dennoch übte dieser aufgrund seiner personellen Kapazitäten (nur 35 Mitarbeiter) und eines minimalen Haushaltes keinen nennenswerten Einfluss auf die Situation aus. Am 20. April 2016 wurde dieser mit der Staatlichen Agentur zum Wiederaufbau des Donbas innerhalb des Ministeriums für die temporär okkupierten Gebiete und Binnenflüchtlinge zusammengelegt.
Infolge mangelhafter Aufmerksamkeit seitens der ukrainischen Regierung in Bezug auf die Krim-Frage griffen zivilgesellschaftlich engagierte Aktivisten zu entscheidenden Maßnahmen. Im September 2015 begannen diese zusammen mit Kämpfern der Freiwilligenbataillone die Durchfahrt von mit Lebensmitteln beladenen LKW auf die Halbinsel zu blockieren. Es kam zu Konflikten, auf die die zentralen Behörden nicht anders konnten als zu reagieren. Das Problem kam auf die politische Agenda des Ministerkabinetts, welches die Entscheidung traf, Beschränkungen bezüglich der Lieferung ukrainischer Waren in das temporär okkupierte Gebiet festzulegen. Ab November 2015 begann die sog. Energieblockade der Krim (Leiter des Koordinationsstabs der Zivilblockade der Krim war Lemur Isljamov). Damals wurden Strommasten gesprengt, wodurch die Stromlieferung auf die Halbinsel vorübergehend unterbrochen wurde.
Infolge der Energie- und Transportblockade der Halbinsel war Russland gezwungen, dringend in die entsprechende Infrastruktur zu investieren, d.h. in die Schaffung einer Energiebrücke (d.h. eine Stromleitung, die über die Straße von Kerč verlegt wurde) und den Bau der sog. Krim-Brücke, welche die besetzte Halbinsel Kerč mit der russländischen Halbinsel Taman’ verbindet. Auch versuchte die russländische Seite, die Navigation im Kerč-Jenikale-Kanal unter dem Vorwand zu erschweren, für die Sicherheit der Krim-Brücke sorgen zu müssen, was im November 2018 die Krise von Kerč zur Folge hatte.
Im Zeitraum von 2017 bis 2021 waren die Bemühungen der Ukraine im Wesentlichen darauf ausgerichtet, die internationale Solidarität für sich zu gewinnen: Die russische Okkupation der Krim sollte nicht anerkannt, die Sanktionen gegen Russland verlängert und die Bevölkerung der Halbinsel wieder mit Informationen aus der Ukraine versorgt werden.
Am 23. August fand in Kyïv der konstituierende Gipfel der Krim-Plattform statt. Hierbei handelte es sich um ein beratendes und koordinierendes Gremium, das darauf ausgerichtet war, die Wirksamkeit internationaler Reaktionen auf die Okkupation der Krim zu erhöhen, internationalen Druck auf die Russländische Föderation zu verstärken, weitere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, die Opfer des Okkupationsregimes zu schützen. Vor allem wollte man das Hauptziel nicht aus dem Auge verlieren, nämlich die Deokkupation der Krim und deren friedliche Rückgabe an die Ukraine.
Prorussländische Aktionen im Februar – April 2014 im Süden und Osten der Ukraine
In der Anfangsphase der bewaffneten Aggression nutzte Russland die Anti-Majdan-Stimmungen eines bestimmten Teils der Bevölkerung aus. Nach dem revolutionären Machtwechsel in Kyïv 23.–24. Februar fanden in den östlichen und südlichen Regionen der Ukraine Straßenaktionen zur Unterstützung des Regimes von Janukovyč statt, bei denen es zu Kritik am Euromajdan und Forderungen nach einem Beitritt zur Zollunion kam. Auch offen prorussländische, verfassungsfeindliche und separatistische Parolen wurden auf diesen Kundgebungen getestet. Diese Aktionen fanden keine breite Unterstützung und umfassten in der Regel nicht mehr als einige Hunderte Teilnehmer (es sind nur wenige Kundgebungen bekannt, an denen mehr als 1 000 Menschen teilnahmen). Es gab auch Versuche, staatliche Behörden zu besetzen, wobei auf ähnliche Aktionen von Euromajdan-Aktivisten in Kyïv und anderen Landesteilen verwiesen wurde. Im Großen und Ganzen gelang es den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden jedoch, die Kontrolle über die Situation zu behalten.
Ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung der Lage in den Regionen war der Kurs der neuen ukrainischen Regierung, sich mit den lokalen Eliten und Großunternehmern zu verständigen. Am 2. März wurden Ihor Kolomojs’kyj zum Leiter der Dnipropetrovs’ker und Serhij Taruta zum Leiter der Donec’ker staatlichen Gebietsverwaltung, und am 3. März wurde der Eigentümer von „Stal’kanat Silur“ Volodymyr Nemyrovs’kyj zum Leiter der Gebietsverwaltung von Odesa ernannt.
Die neue Eskalationswelle der Protestbewegung stand im Zusammenhang mit dem Versuch Russlands, die Aufmerksamkeit der ukrainischen Behörden von der Besetzung der Krim abzulenken. So fand am 1. März 2014 in Donec’k eine Massenkundgebung von Sympathisanten Russlands statt, bei der sie russländische Flaggen hissten, die Nichtanerkennung des Machtwechsels in Kyïv erklärten, die Einwohner von Donec’k zum Beitritt zur „Volksmiliz“ aufriefen und an Russland appellierten, Truppen zu entsenden. Pavel Gubarev wurde zum „Volksgouverneur“ erklärt. Unter dem Druck der Demonstranten verabschiedete der Stadtrat eine entsprechende politische Erklärung, die jedoch bald von den Strafverfolgungsbehörden angefochten wurde.
Am selben Tag fand vor dem Gebäude der Gebietsverwaltung in Donec’k eine Kundgebung zur Unterstützung der Einheit der Ukraine statt. Diese wurde teilweise nach dem „traditionellen“ bürokratischen Modell durchgeführt: Bei den meisten Teilnehmern handelte es sich um Mitarbeiter von staatlichen und kommunalen Einrichtungen, deren Motivation zur Teilnahme an den Kundgebungen dementsprechend recht gering blieb, obwohl aufrichtig proukrainisch gestimmte Bürger ebenfalls anwesend waren. Prorussländischen Aktivisten ist es zwar gelungen, die Teilnehmer der offiziellen Kundgebung zu verdrängen und vor dem Gebäude der staatlichen regionalen Verwaltung russländische Flaggen aufzuhängen, doch besetzen konnten sie das Gebäude an diesem Tage nicht. Jedoch brachten am 3. März prorussländische Kräfte das Verwaltungsgebäude unter ihre Kontrolle. Die Nachricht über die Ernennung von Taruta zum Leiter der staatlichen Gebietsverwaltung wurde von prorussländischen Separatisten negativ aufgenommen: Man hörte Slogans, dass „das Volk sich den Oligarchen nicht unterwerfen“ würde. Am 5. März versuchten Mitarbeiter des Innenministeriums ohne Gewalt die Ordnung in den Verwaltungsgebäuden wiederherzustellen. Das Gebäude der Gebietsverwaltung wechselte dabei zweimal den Besitzer. Zugleich verhaftete der Sicherheitsdienst der Ukraine am 6. März Gubarev und etwa zehn seiner Handlanger, woraufhin sich die Lage in der Stadt etwas stabilisierte.
In Luhans’k und Charkiv verliefen die Ereignisse am 1. März nach einem ähnlichen Szenario wie in Donec’k: Kundgebung und Sturm auf Gebäude der Gebietsverwaltungen, Hissen russländischer Flaggen, Aufrufe zum Beitritt zur „Luhans’ker Garde“ und zum Charkiver „Oplot“. Doch nach der Festnahme des selbsternannten „Gouverneurs der Region Luhans’k“ Oleksandr Charytonov sowie des ehemaligen Leiters der Gebietsverwaltung Charkiv Mykhajlo Dobkin hat sich die Situation auch hier stabilisiert.
In Dnipropetrovs’k wurde dieses Szenario durchkreuzt. Hier waren potenzielle Organisatoren von Massenunruhen von Anfang an isoliert, und die örtlichen Behörden machten deutlich, dass ihre Reaktion auf jede Destabilisierungsversuche hart ausfallen würde. Daher fanden in der Stadt nur Kundgebungen statt, auf denen Kritik am Machwechsel in Kyïv und Forderungen nach einem Beitritt zur Zollunion, aber keine verfassungsfeindlichen Parolen erklangen und schon gar nicht versucht wurde, die Verwaltungsgebäude zu besetzen. Gleichzeitig fanden in Dnipropetrovs’k proukrainische patriotische Massenaktionen statt. Ein ähnliches Bild wurde in Zaporižžja, Mykolaїv, Cherson, Odesa und anderen Städten im Süden und Osten des Landes beobachtet.
Am 16. März, am selben Tag wie das illegitime „Referendum“ auf der Krim, sollte in acht Regionen der Ost- und Südukraine die Operation „Russischer Frühling“ nach folgendem Schema beginnen: zunächst prorussländische Kundgebungen, auf denen „Volksgouverneure“ verkündet werden sollten, und danach die Übernahme staatlicher Machtorgane. Doch gelang es den ukrainischen Sicherheitsdiensten damals, dieses Szenario abzuwenden. Das Hauptziel dieser Aktionen bestand jedoch darin, in der Endphase der Operation zur Besetzung der Krim die Ressourcen der ukrainischen Behörden abzulenken. Nach dem „Referendum“ auf der Krim büßten die prorussländischen Kundgebungen, die Ende März in den südlichen und östlichen Regionen der Ukraine stattfanden, etwas an Aggressivität ein. Nach Angaben der ukrainischen Strafverfolgungsbehörden fanden von Ende Februar bis Anfang April 2014 in der Ukraine 320 separatistische Aktionen statt, an denen 242 000 Menschen teilnahmen.
Subversiv-terroristische Phase
Seit dem 6. April begann in den östlichen Regionen der Ukraine eine neue Welle von Straßenaktionen und Besetzungen von Verwaltungsgebäuden. An ihnen beteiligten sich nicht nur lokale prorussische Agenten und Vertreter politischer Randgruppen, sondern auch russländische Staatsbürger, darunter Mitarbeiter der Sicherheitsdienste. Gleichzeitig mit der Übernahme von Verwaltungsgebäuden wurde die Gründung der „Volksrepubliken“ Donec’k, Luhans’k und Charkiv ausgerufen; dies war auch in den Gebieten Dnipropetrovs’k, Odesa und in anderen geplant. All dies geschah nach dem Krim-Szenario, mit nur einem Unterschied: Die „grünen Männer“ – Einheiten der Streitkräfte der Russländischen Föderation – beteiligten sich nicht an der Besetzung der staatlichen Behörden. Das ultimative Ziel lag nach Angaben der russländischen Behörden in der Föderalisierung der Ukraine, was die europäische und euroatlantische Integration des Landes stoppen sollte.
Am 6. April wurde in Charkiv das Gebäude der Gebietsverwaltung besetzt. Außerdem versuchte man, den Fernsehturm zu erobern. Lokale Polizeibeamte versuchten, ein großes Blutvergießen zu verhindern, die Sympathien einiger von ihnen waren auf der Seite prorussländischer Aktivisten (nach dem Durchbruch der Polizeisperre und der Besetzung der Gebietsverwaltung applaudierte ein Teil der Sicherheitskräfte den Separatisten). Die örtlichen Behörden, die sahen, dass die Situation außer Kontrolle geraten war, distanzierten sich von den Ereignissen und nahmen eine abwartende Haltung ein. Am 7. April riefen „alternative [selbsternannte – Übers.] Abgeordnete des Gebietsrates“ in der Eingangshalle der Gebietsverwaltung (in den Sitzungssaal wurde ihnen der Zutritt verwehrt) die „Volksrepublik Charkiv“ aus, wandten sich an Janukovyč mit der Bitte, ihre Machtbefugnisse zu bestätigen, und forderten Russland auf, bei der Durchführung eines Referendums über die Unabhängigkeit zu helfen. Am Abend kündigte der amtierende Innenminister der Ukraine Avakov eine Anti-Terror-Operation in Charkiv an. Über Nacht befreiten Kämpfer der in Vinnycja stationierten Sondereinheit „Jaguar“ das Gebäude der Gebietsverwaltung und verhafteten bis zu 70 Separatisten. Danach ließ der Separatismus in Charkiv nach, obwohl es bis Ende April immer wieder zu prorussländischen Kundgebungen kam, die vereinzelt zu Zusammenstößen mit proukrainischen Aktivisten führten.
In Luhans’k und Donec’k wandten die Separatisten eine andere Taktik an. Ihr Hauptziel bestand darin, die Gebäude der Strafverfolgungsbehörden zu besetzen und Waffen zu beschaffen. Als Russland später die Waffen über die Grenze transportierte, gaben die militanten Separatisten sie als von den örtlichen Sicherheitskräften „erbeutet“ aus. Letztere waren demoralisiert, gegen die „Majdan-Regierung“ eingestellt und sympathisierten mit prorussländischen Kräften. Aufgrund eines Informationslecks scheiterte die Operation der Regionalabteilung des SBU Luhans’k zur Festnahme des Separatistenführers Valerij Bolotov.
In Donec’k wurden die Gebäuden der SBU-Verwaltung, der Gebietsverwaltung und des Regionalrats von prorussländischen Militanten mit weniger Aufwand als in Luhans’k erobert. Am 7. April wurde ein „Volksrat“ gegründet und die sogenannte Volksrepublik Donec’k („DNR“) proklamiert. Für den 11. Mai wurde ein Referendum über die „Selbstbestimmung“ angesetzt. Denis Pušylin wurde Chef der „Provisorischen Regierung“. Die faktische „Macht“ der Separatisten erstreckte sich nur auf das Gebäude der Donec’ker Gebietsverwaltung. Ihr Chef, Taruta, bestand auf einer Erstürmung nach dem Vorbild Charkivs. Allerdings wagten die Spezialeinheiten nicht, die Verantwortung zu übernehmen, und die Chance, den Separatismus zu ersticken, bevor die Demonstrationen ein bedrohliches Ausmaß erreichten, wurde vertan. In der Stadt wurde eine Doppelmacht errichtet. Am 28. April fand eine Massenkundgebung (bis zu 10 000 Menschen) unter dem Titel „Donec’k ist die Ukraine!“ statt, die zu aggressiven Gegenaktionen prorussländischer Aktivisten führte. Zwölf Menschen wurden verletzt und fünf im Hauptquartier der Extremisten inhaftiert (später freigelassen). Es war die letzte proukrainische Massenveranstaltung in der Stadt im Frühjahr 2014.
Am 6. April wurde das Gebäude der SBU-Verwaltung in Luhans’k besetzt. Nachdem sich der Regionalrat am 16. April geweigert hatte, das Ultimatum der Separatisten zu erfüllen, wurde die Bildung der „Föderation der Südostukraine“, die Schaffung einer gemeinsamen Armee auf der Grundlage der „Selbstverteidigung“ von Luhans’k und Donec’k und der Übergang zur russländischen Währung (Rubel) angekündigt. Alle diese Beschlüsse wurden vom selbsternannten „Präsidenten“ Anatolij Vizir verfasst, seines Zeichens Generaloberst der Justiz und Richter am Luhans’ker Berufungsgericht. Am 21. April wurde Bolotov zum „Volksgouverneur“ ernannt, eine Woche später wurde die „Volksrepublik Luhans’k“ („LNR“) ausgerufen und am darauffolgenden Tag das Gebäude der Gebietsverwaltung besetzt.
Angesichts der Schwierigkeiten bei der Entfaltung prorussländischer Separatistenbewegungen in den Gebietszentren konzentrierten die russländischen Sicherheitsdienste ihre Aufmerksamkeit und verlagerten den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die kleineren Rayonstädte. Am 12. April eroberte eine Gruppe von Kämpfern, deren Kern russländische Offiziere aus Spezialeinheiten bildeten, die Stadt Slov’jans’k. Sie standen unter dem Kommando von Igor’ Girkin. Mit der Eroberung weiterer Städte in der Agglomeration Kramators’k gewann diese Entwicklung immer mehr an Bedeutung.
Mit dem Auftauchen russländischer Spezialkräfte im Donbas gingen politische Morde einher. Einer der ersten Morde ereignete sich während der Eroberung von Horlivka durch die prorussländischen Separatisten und russländischen Kämpfer. Am 17. April riss Volodymyr Rybak, Abgeordneter des Stadtrats Horlivka von der Partei „Bat’kivščyna“ (Vaterland), während einer Kundgebung zur Unterstützung des rechtmäßigen Bürgermeisters der Stadt Jevhenij Klepa, die „DNR“-Flagge vom Stadtratsgebäude und versuchte die ukrainische Flagge wieder anzubringen. Rybak wurde festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht, wo er später getötet wurde (den Ermittlungsunterlagen zufolge wurde er gefoltert und dann ertränkt). Zusammen mit seiner Leiche fanden die Ermittler die Leiche (mit Spuren ähnlicher Folter) von Jurij Popravka, einem Studenten der Nationalen Universität „Kyïver Polytechnisches Institut“, der ein Aktivist des Euromajdan war (militante Separatisten beschuldigten ihn, Sabotageakte vorbereitet zu haben).
Völlig anders sah die Situation im Gebiet Dnipropetrovs’k aus, wo die lokalen Behörden einen proukrainischen politischen Kurs verfolgten und bei der Prävention des Separatismus von den Sicherheitsdiensten uneingeschränkt unterstützt wurden. Es wurde erklärt, dass, falls die Verwaltungsgebäude des SBU und des Innenministeriums in der Stadt gestürmt werden sollten, auf die Angreifer scharf geschossen würde. Es kam zwar zu prorussländischen Kundgebungen, welche jedoch friedlicher Natur waren. Lokale Eliten unterstützten zudem die Initiativen patriotischer Organisationen zur Bildung von Freiwilligenbataillonen.
Versuche, eine separatistische Bewegung in Odesa zu entfalten, führten am 2. Mai zu einer Tragödie mit zahlreichen Opfern.
Anfang Mai wurde der Versuch unternommen, die Lage in der Stadt Mariupol’ zu destabilisieren. Zunächst, so das übliche Szenario, besetzten prorussländische Separatisten das Rathausgebäude. Am Tag des Sieges (9. Mai) eskalierte die Situation. Während bei einer durch die Kommunistische Partei organisierte Kundgebung prorussländische Parolen und Forderungen nach „Frieden“ laut wurden, griff eine bewaffnete Gruppe das städtische Polizeipräsidium an. Das Führungspersonal der Polizei, das zu diesem Zeitpunkt in dem Gebäude eine Besprechung abhielt, musste sich einem ungleichen Kampf stellen. Die zu Hilfe gekommenen Sicherheitskräfte zwangen die Angreifer zum Rückzug. Bald wurde der Ort des Geschehens jedoch von Demonstranten umstellt. Während aus dem brennenden Gebäude des Polizeipräsidiums Polizeibeamte gerettet wurden (sieben von ihnen erlitten schwere Kohlenmonoxid-Vergiftungen, zwei Feuerwehrleute starben), wurde der Leiter der Mariupoler Polizei Valerij Andruščuk vom aggressiven Mob festgehalten und gewaltsam in eine unbekannte Richtung gebracht (er wurde später freigelassen). Es kam auch zu wiederholten Angriffen auf Militärangehörige. Um die Situation nicht noch mehr zu verschärfen, zogen die Sicherheitskräfte aus der Stadt ab und bezogen auf dem Gelände einer Militäreinheit in einem Vorort Quartier. Die Demonstranten versuchten trotzdem, dieses Gelände im Sturm zu erobern, auch unter Einsatz von Waffen. Um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, wurden die Militärs auf das Gelände des Flughafens Mariupol’ verlegt. Insgesamt starben infolge dieser Ereignisse fünf Zivilisten sowie sechs Angehörige der Sicherheitskräfte; 46 Menschen (darunter fünf Soldaten) erlitten Schusswunden.
Nach dem Abzug der ukrainischen Sicherheitskräfte kam es in Mariupol’ zur Bildung einer Doppelmacht. Zur Beruhigung der Lage initiierte am 15. Mai die örtliche Administration ein „Memorandum über Ordnung und Sicherheit“, das von den Leitern der örtlichen Behörden und der Polizei sowie den Direktoren der städtischen metallurgischen Unternehmen, die im Besitz des Unternehmers Rinat Achmetov waren, von Vertretern von etwa zehn lokalen öffentlichen Organisationen und einem Vertreter der öffentlichen Organisation „Volksrepublik Donec’k“ unterzeichnet wurde. Russländische und prorussländische Massenmedien stellten dieses Memorandum als „Anerkennung der Volksrepublik Donec’k durch Achmetov“ dar, was der Geschäftsmann selbst bestritt, indem er eine eindeutig proukrainische Erklärung abgab.
Als Reaktion auf die Entsendung von Saboteuren durch Russland und die Ausweitung des von ihnen kontrollierten Territoriums im Donbas kündigte der amtierende Präsident der Ukraine Turčynov am 14. April eine Anti-Terror-Operation (ATO) an. Im Gegensatz zu den bewaffneten Separatisten war die ukrainische Seite zunächst nicht auf groß angelegte Militäreinsätze vorbereitet, die zu zivilen Opfern und Massenzerstörungen hätten führen können. Sie war ebenso wenig bereit, unter den Bedingungen eines hybriden Krieges zu agieren, wenn die Erfüllung von Kampfaufgaben durch die eigene Bevölkerung sowie durch russländische Staatsbürger behindert wird, die vorgeben, einfache Ukrainer zu sein. Aus diesem Grund wählten die ukrainischen Sicherheitskräfte im April und Mai die Taktik der Belagerung von Ortschaften und einer schrittweisen Vertreibung von militanten Separatisten. Dies zog die Anti-Terror-Operation in die Länge und löste Kritik seitens eines Teils der ukrainischen Politiker und insbesondere seitens der Freiwilligenbataillone aus, die langsam Eigeninitiative an den Tag legten. So kam es am 20. April in der Nähe von Slov’jans’k zu einem der ersten Gefechte zwischen den Kämpfern des Ukrainischen Freiwilligenkorps „Rechter Sektor“ und den Militanten. Ein Teil der ukrainischen Streitkräfte wurde zur Kontrolle der ukrainisch-russländischen Grenze entsandt, da auf der anderen Seite der Grenze unter dem Vorwand von Militärübungen reguläre Einheiten der Armee der RF stationiert waren.
Am 17. April fanden die ersten internationalen Verhandlungen zur Beilegung des Konflikts im Donbas im „Genfer Format“ statt. Die Ukraine formulierte folgende Forderungen an Russland: 1) Beendigung der Unterstützung terroristischer Gruppen durch Russland; 2) Abzug russländischer Truppen von der ukrainisch-russländischen Grenze; 3) Aufhebung des Beschlusses der Staatsduma der Russländischen Föderation, der es dem Präsidenten Putin erlaubte, Truppen auf dem Territorium der Ukraine einzusetzen; 4) Abzug russländischer Truppen von der Krim und Aufhebung der Entscheidungen bezüglich der Annexion der Halbinsel; 5) Rückgabe der Krim unter die Gerichtsbarkeit der Ukraine. Russland stellte seinerseits folgende Forderungen an die Ukraine: 1) Föderalisierung der Ukraine; 2) Beilegung der Spannungen in den östlichen Regionen durch Deeskalation auf der Grundlage der Gesetze der Ukraine ohne Opfer und Blutvergießen; 3) Legitimierung der Situation bezüglich der Krim; 4) legitime Präsidentschaftswahlen (die Wahlen sollten regulär im Dezember 2014 stattfinden, und bis dahin sollte Janukovyč Staatsoberhaupt bleiben) und die Bildung einer verhandlungsfähigen Regierung. Darüber hinaus versuchte Russland während der Verhandlungen, Garantien für einen blockfreien Status der Ukraine zu erhalten (das heißt, nicht der NATO beizutreten), was das Hauptziel seiner aggressiven Politik im Donbas demonstrierte. In der abschließenden Erklärung über die Verhandlungsergebnisse fand nur der erste Punkt der ukrainischen Forderungen teilweise Berücksichtigung, während es Moskau gelang, die Krim-Frage sowie seine Beteiligung am Konflikt im Donbas völlig auszuklammern, wohingegen die Punkte 2. und teilweise 4. der russländischen Forderungen erfüllt wurden.
Internationale Verhandlungen waren nicht von Erfolg gekrönt. Von April bis Mai weiteten die Militanten ihre Territorien in den Gebieten Luhans’k und Donec’k aus und verstärkten ihre Kontrolle über diese Territorien. Am 11. Mai führten sie illegale „Scheinreferenden über die Unabhängigkeit der Volksrepubliken“ durch, ohne auch nur zu versuchen, ihnen wenigstens nach außen hin den Anschein von Legimität zu verleihen, wie es bei der Besetzung der Krim der Fall gewesen war. Die „Volksbegehren“ sollten Bilder für die russländischen und die prorussländischen Massenmedien liefern. Am nächsten Tag erklärten die „Republiken“ ihre „Unabhängigkeit“.
Trotz der Eskalation im Donbas gaben die lokalen Eliten die Hoffnung nicht auf, die Entwicklungen wieder auf einen friedlichen Kurs zu bringen. Als Versuch, den Separatisten die Initiative zu entreißen, entstand die Idee, ein regionales Referendum über zusätzliche Befugnisse der lokalen Behörden, den Status der russischen Sprache und über das Recht auf Bildung einer kommunalen Miliz abzuhalten. Diese Idee wurde von Taruta am 23. April bei einem gemeinsamen Treffen der Bürgermeister, Gemeinderatsvorsitzenden und der Leiter der Rayonverwaltungen formuliert. Am 25. April unterbreiteten er und der Bürgermeister von Donec’k, Oleksandr Luk’jančenko, diesen Vorschlag dem amtierenden Präsidenten der Ukraine Turčynov, der seinerseits ein solches Referendum für möglich erachtete. Diesem Vorschlag standen jedoch formelle Hindernisse im Weg: Der „amtierende Präsident“ hatte nicht das Recht, ein Referendum anzukündigen, und die Verchovna Rada musste zuerst ein Gesetz über lokale Referenden verabschieden. Schließlich ergab es nach den illegalen „Volksabstimmungen“ vom 11. Mai keinen Sinn mehr, ein regionales Referendum abzuhalten.
Nach den „Scheinreferenden“ wurde Aleksandr Borodaj – ein russländischer politischer Abenteurer aus dem Gefolge des Oligarchen Konstantin Malofeev – neben Pušylin zum Co-Vorsitzenden des „Ministerrats der Volksrepublik Donec’k“ ernannt. Immer häufiger wurde die Eroberung von Behördengebäuden sowie neue Versuche gemeldet, Militäreinheiten bzw. ‑gelände im Donbas mit dem Ziel zu erstürmen, Waffen zu beschlagnahmen. Ende Mai, am Vorabend der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine, unterzeichneten die „LNR“ und die „DNR“ auf Anweisung Moskaus ein Abkommen über die Bildung einer „Konföderierten Union der Volksrepubliken von Novorossija“, die von einem „Rat“ bestehend von je drei Vertretern aus jeder der beiden „Republiken“ regiert werden sollte. Allerdings kam es unter den Separatisten zu unterschiedlichen Interpretationen des neuen Verbandes. Während der „Volksgouverneur der Volksrepublik Donec’k“ Gubarev glaubte, dass damit eine neue staatliche Einheit gebildet wurde, bestand sein Luhans’ker „Kollege“ Bolotov darauf, dass keine Vereinigung im Rahmen eines einzigen Staates stattgefunden habe, und beharrte darauf, dass dies nur eine Union von „zwei unabhängigen Republiken“ sei. Diese Meinungsunterschiede waren dadurch zu erklären, dass solche „staatsbildenden“ Initiativen von außen kamen und die lokalen Separatistenführer selbst nicht verstanden, was sie zu machen hatten und warum. Ein weiterer Beweis für die Befeuerung des Separatismus von außen war die Ernennung des aus Dnipropetrovs’k stammenden Volksabgeordneten der Partei der Regionen Oleh Carjov zum „Vorsitzenden des Parlaments von Novorossija“. Da die Eliten von Dnipropetrovs’k und Donec’k traditionell miteinander konkurrierten, sorgte dieser Schritt der russländischen Schutzmacht bei den Donec’ker Separatisten für Empörung. Roman Ljagin, einer der aktiven Organisatoren des illegalen „Referendums“, bezeichnete die Organisatoren des „Novorossija“-Kongresses als „Schurken“, die nichts mit dem Donbas zu tun haben.
Nach den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine im Mai 2014 erhöhten die Sicherheitskräfte den Druck auf prorussländische Militante und starteten eine Offensive. Am 26. Mai wurde der internationale Flughafen Donec’k und am 13. Juni das Zentrum von Mariupol’ befreit. Die Antwort darauf waren Terroranschläge. Unter anderem wurde am 14. Juni ein Militärtransportflugzeug vom Typ Il-76 mit 40 Dnipropetrovs’ker Fallschirmjägern der 25. Brigade und neun Besatzungsmitgliedern bei der Landung auf dem Flughafen Luhans’k abgeschossen.
Waffenstillstand im Juni
Mit der Wahl des neuen Präsidenten der Ukraine am 25. Mai eröffnete sich die Gelegenheit, den Konflikt mit Russland mit politischen Mitteln beizulegen. Am 20. Juni legte Petro Porošenko einen Friedensplan vor (insgesamt 15 Punkte), der unter anderem Folgendes vorsah:
- Amnestie für ukrainische Bürger, die sich nicht des Mordes von Militärangehörigen und Zivilisten schuldig gemacht haben;
- Bildung eines Grenzkorridors für die Rückkehr russländischer Kämpfer nach Russland (schwere Waffen müssen zurückgelassen werden);
- Durchführung vorgezogener Kommunalwahlen, damit die Bevölkerung ihre wirklichen Vertreter wählen und so in einen Dialog mit der Zentralregierung treten kann;
- Dezentralisierung der Macht; Garantien für den freien Gebrauch der russischen Sprache in der Region unter Wahrung des Rechts lokaler Gemeinschaften auf die Formulierung einer eigenen Geschichtspolitik, die Ehrung lokaler Helden und die Pflege religiöser Traditionen; Investitionen in den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Donbas und die Schaffung neuer Arbeitsplätze;
- Abhaltung vorgezogener Parlamentswahlen.
Um diesen Plan umzusetzen, wurde zum 20. Juni ein einseitiger siebentägiger Waffenstillstand in der ATO-Zone angekündigt. Dieser Friedensplan entsprach den Erwartungen Russlands jedoch nicht, da er nichts an der europäischen und euroatlantischen Integration der Ukraine änderte und außerdem den legitimen Charakter der Annexion der Krim nicht anerkannte. Dementsprechend hielten die prorussländischen Militanten den Waffenstillstand nicht ein, was sie damit begründeten, dass Kyïv keine direkten Verhandlungen mit den „Volksrepubliken“ führte. Bereits am 21. Juni wurde der Grenzübergang „Izvaryne“, später die Grenzpunkte „Dovžans’kyj“ und „Červonopartyzans’kyj“, über welche Waffen, militärische Ausrüstung sowie Personal als Nachschub für illegale bewaffnete Formationen aus Russland gelangten, besetzt.
Am 23. und 27. Juni fanden in Donec’k zwei Friedensverhandlungsrunden statt. An diesen wurde die Ukraine durch Leonid Kučma, die OSZE durch die Sonderbeauftragte Heidi Tagliavini und die Russländische Föderation durch den Botschafter Michail Zurabov vertreten. Darüber hinaus nahmen an den Verhandlungen die „DNR“ (vertreten durch Borodaj) und „LNR“ (vertreten durch den „Vorsitzenden der Verchovna Rada“ Oleksij Karjakin) teil. Bei den Gesprächen waren auch Viktor Medvedčuk und Nestor Šufryč (als offizielle Vertreter) sowie Oleh Carjov (von der Seite der Separatisten) anwesend. Die Verhandlungen brachten keine positiven Ergebnisse, obwohl der ukrainische Präsident Porošenko auf Bitte der westlichen Partner den Waffenstillstand um 72 Stunden verlängerte.
Militäroperationen im Juli-August 2014
Obwohl Russland und der Westen Porošenko erneut aufforderten, den Waffenstillstand noch einmal zu verlängern, wurden die Militäroperationen am 30. Juni wieder aufgenommen, und die ukrainischen Streitkräfte gingen in die Offensive. Unter den militanten Separatisten brach Panik aus. Am 4. Juli erließ der „Verteidigungsminister der Volksrepublik Donec’k“ Girkin einen „Befehl zur Demobilisierung des Personals der Miliz der Volksrepublik Donec’k“, durchbrach unter dem Schutzschild von Zivilisten die Einkesselung in Slov’jans’k in Richtung Donec’k und verlor dabei 90 % der gepanzerten Fahrzeuge. Im Rahmen einer organisierten PR‑Kampagne behaupteten die prorussländischen Medien, dass es keinen „Demobilisierungsbefehl“ gegeben habe und dass es sich dabei um Desinformation seitens der ukrainischen Geheimdienste handele. Borodai und Girkin hielten in Donec’k eine dringende Pressekonferenz ab, auf der sie verkündeten, dass „der Kampf für die Unabhängigkeit der Volksrepublik Donec’k weitergeht“.
Nach der Niederlage bei Slov’jans’k weitete Russland seine Militärhilfe für die Separatisten aus. Die Zahl der russländischen Kämpfer, die ukrainisches Territorium betraten, wurde erhöht (laut Girkin wurden zusätzlich 500 Personen entsandt), darunter Vertreter russischer nationalistischer Organisationen, Kriminelle sowie „Rentner“ (in der jüngeren Vergangenheit Angehörige der russländischen Streitkräfte, die Erfahrung im Umgang mit hochentwickelter militärischer Ausrüstung und in der Teilnahme an Spezialoperationen hatten) und „Urlauber“ (Angehöriger der russländischen Streitkräfte, die in den Donbas entsandt wurden). Es begannen Raketen- und Artilleriebeschüsse ukrainischer Einheiten vom russländischen Staatsgebiet aus, und Söldner – ukrainische Staatsbürger – durchliefen in russländischen Militärlagern beschleunigte Ausbildungskurse. Darüber hinaus wurde eine umfangreiche Lieferung von Waffen und Militärtechnik, einschließlich schwerer Ausrüstung, eingesetzt (die Separatisten selbst nannten diese Hilfe ironischerweise „Militärhandel“ (russ.: Voentorg), als ob solche Waffen in Geschäften in Russland, in denen man mit Waren für Militärpersonal Handel trieb, gekauft werden könnten). Es gab zwei logistische Knotenpunkte, an denen Söldner und Waffen zunächst konzentriert waren: der Grenzübergang „Dmytrivka“ in der Nähe von Snižne sowie der Grenzübergang „Izvaryne“ in der Nähe von Krasnodon. In der zweiten Julihälfte 2014 führte die ukrainische Armee Raketen-, Artillerie- und Luftangriffe auf diese Logistikzentren durch. Als Reaktion darauf setzte Russland Kampfflugzeuge und Luftverteidigungssysteme ein. Am 13. Juli wurde der erste Einsatz der russländischen Su-25-Kampfflugzeuge gegen die ukrainischen Truppen bekannt gegeben. Darüber hinaus sollte am 14. Juli offiziellen Angaben zufolge ein weiteres ukrainisches Militärtransportflugzeug, die An-24, von einem russländischen Kampfflugzeug abgeschossen worden sein. Und am 16. Juli schoss eine Luft-Luft-Rakete ein ukrainisches Su-25-Kampfflugzeug ab (dies geschah durch russländische Flugzeuge, die entlang der ukrainischen Grenze patrouillierten). Russland bestritt immer seine Beteiligung an diesen Angriffen.
Am 17. Juli schossen prorussländische Militante mit einer Rakete aus einem Flugabwehrsystem „Buk“ eine Boeing-777 der Malaysian Airlines mit 283 Passagieren und 15 Besatzungsmitgliedern an Bord ab. Am 8. September 2014 veröffentlichte die Expertengruppe „Bellingcat“ Beweise dafür, dass das „Buk“-Flugabwehrsystem aus Russland kam und der 53. in der Nähe von Kursk stationierten Flugabwehrraketenbrigade der Streitkräfte der Russländischen Föderation angehörte. Im November 2014 wurde ein Bericht darüber veröffentlicht, wie genau diese Luftverteidigungsanlage auf ukrainisches Territorium gelangte. Im Mai 2016 wurde ein weiterer „Bellingcat“-Bericht mit zusätzlichen Beweisen für die Verbrechen Russlands veröffentlicht. Anschließend veröffentlichte der Sicherheitsrat der Niederlande einen neuen Bericht, in dem er diese Version bestätigte. Russland hat jedoch seine Beteiligung weiterhin öffentlich dementiert. Schließlich erhob ein internationales gemeinsames Ermittlungsteam im November 2019 den Verdacht gegen vier russländische Staatsbürger, darunter Girkin, die zu dem im März 2020 in Den Haag (Niederlande) beginnenden Gerichtsprozess erscheinen sollten. Es wurden auch abgefangene Telefongespräche vorgelegt, die sowohl die Beteiligung hochrangiger russländischer Beamter und Militärs am Abschuss eines Zivilflugzeugs als auch allgemein eine direkte militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine belegen.
Trotz aggressivem Widerstandes seitens der Russländischen Föderation gelang es den ukrainischen Streitkräften, das von prorussländischen Separatisten kontrollierte Gebiet kontinuierlich zu verkleinern. Die Strategie bestand darin, die separatistischen Kämpfer in den einzelnen Ortschaften zu blockieren und sie gleichzeitig von der ukrainisch-russländischen Grenze im Norden und Süden abzuschneiden, um die Nachschublieferungen von militärischer Ausrüstung und Personal aus Russland zu stoppen. Streitkräfte „durchschnitten“ die Kommunikation zwischen der „DNR“ und der „LNR“ sowie zwischen Donec’k und Horlivka. Die Separatisten begannen damit, Pläne zur Evakuierung aus Donec’k zu entwickeln.
Ende Juli starteten die Separatisten in Abstimmung mit den Streitkräften der Russländischen Föderation (Raketen- und Artilleriefeuer) einen Gegenangriff in der Nähe von Savur-Mohyla (im Südosten des Gebiets Donec’k), sodass ein Teil der ukrainischen Truppen umzingelt wurde. Anfang August mussten etwa 400 Militärs die ukrainisch-russländische Grenze überqueren (sie wurden später in die Ukraine zurückgebracht), und mehrere tausend weiterer Kämpfer brachen aus der Einkesselung aus und schlossen sich anderen ukrainischen Einheiten bei Savur-Mohyla an. Dies wurde durch einen Marsch durch das Hinterland der Separatisten erleichtert, der von den Einheiten der 95. Separaten Luftmobilbrigade und der 30. Separaten Mechanisierten Brigade unter dem Kommando von Mychajlo Zabrods’kyj durchgeführt wurde. Diese Einheiten bauten einen Übergang über den Fluss Mius und schützten ihn solange, bis alle zurückziehenden ukrainischen Einheiten in Sicherheit waren.
Die Hauptlast der Militäroperationen trugen die Streitkräfte der Ukraine, die Nationalgarde des Innenministeriums der Ukraine und Sondereinheiten des SBU. Gleichzeitig spielten Freiwilligenbataillone, die hauptsächlich aus Euromajdan-Aktivisten bestanden, insbesondere in der ersten Phase eine bedeutende Rolle bei der Bekämpfung von Terroristen.
Die Freiwilligenbewegung zur Unterstützung ukrainischer Soldaten und Binnenflüchtlinge aus dem Kriegsgebiet hatte erheblich an Ausmaß gewonnen.
Mitte August 2014 befreiten ukrainische Truppen in erbitterten Kämpfen einen bedeutenden Teil des Donbas, der im April und Mai von Terroristen erobert worden war. Dabei wurden die Voraussetzungen für die Befreiung von Luhans’k und Donec’k geschaffen.
Die wahrscheinliche Niederlage der Separatisten drohte für das Regime von Putin hohe innenpolitische Risiken mit sich zu bringen. Daher wurden seit Ende Juli die Einheiten prorussländischer Militanter mit personellen Nachschub und neuen Waffen versorgt. Russländische Staatsbürger, die die „LNR“ und „DNR“ leiteten, wurden nach Moskau zurückgerufen und ihre Positionen wurden mit lokalen Anwohnern besetzt – Ihor Plotnyc’kyj, der zuvor „Verteidigungsminister der Volksrepublik Luhans’k“ gewesen war, und Oleksandr Zacharčenko, der die illegale Militärformation „Oplot“ anführte. Seit Mitte August begann Russland zur logistischen Unterstützung der Militärgruppe „humanitäre Konvois“ einzusetzen. Darüber hinaus beschossen reguläre russländische Truppen nicht nur weiterhin ukrainische Streitkräfte von russländischem Territorium aus, sondern drangen auch in das Staatsgebiet der Ukraine ein.
Einmarsch regulärer russländischer Truppen
Die erste Phase der direkten Aggression Russlands begann am 20. August und die aktive Phase am 24. August. An diesem Tag begann eine Gegenoffensive, bei der die Hauptstreitkräfte reguläre russländische Truppen waren, bestehend aus acht taktischen Bataillonsgruppen: vier davon nahmen Kurs in Richtung Donec’k ein, vier weitere in Richtung Luhans’k. Bei Donec’k griffen sie in südöstliche Richtung an (die Regionen Amvrosiïvka-Kutejnikovo, Tel’manovo und Novoazovs’k). Es bestand die Gefahr, dass durch die Einnahme Mariupol’s ein Landkorridor zur Krim entstehen könnte. Russländische Truppen hielten am Stadtrand von Mariupol’ an und reguläre ukrainische Einheiten begannen, die Stadt zu verlassen, die nun nur noch von leicht bewaffneten Freiwilligeneinheiten verteidigt wurde. Es ist nicht sicher bekannt, warum der russländische Angriff nicht stattfand; nach Angaben von Militärexperten wurde die Einnahme Mariupol’s zunächst durch heftige Kämpfe in der Stadt Ilovajs’k (Gebiet Donec’k) und dort dann durch Verluste russländischer Truppen verzögert. Anschließend wurde die russländische Militärgruppierung am 1. September von „Točka-U“-Raketen getroffen, wodurch sie ihre Kampffähigkeit verlor. Schließlich starteten Kämpfer der 79. und 95. Luftmobilbrigade am 4. September in Zusammenarbeit mit den Einheiten der Nationalgarde der Ukraine und der 17. Panzerbrigade einen Angriff, der den Feind zwang, in die Defensive zu gehen. Die Kontrolle über mehrere Ortschaften wurde wiederhergestellt. Der weitere Vormarsch der ukrainischen Truppen wurde aufgrund des Friedensabkommens in Minsk ausgesetzt.
Die Ilovajs’k-Operation der ukrainischen Streitkräfte im Jahr 2014 endete mit einer Niederlage. Im Luhans’ker Abschnitt mussten die ukrainischen Truppen nach heftigen Kämpfen (in der Nacht auf den 31. August) den Flughafen Luhans’k verlassen.
Die ukrainische Armee hat gezeigt, dass sie in der Lage war, die Befreiung des Donbas von den militanten Separatisten zu vollenden, sie war jedoch auf umfassende Kampfhandlungen gegen die reguläre russländische Armee nicht vorbereitet.
„Minsker Vereinbarungen I“ und ihre Folgen
Am 26. August führten die Präsidenten Petro Porošenko und Vladimir Putin ein mehrstündiges Gespräch in Minsk, und die Verhandlungen wurden am 3. September im Telefonformat fortgesetzt. Infolgedessen wurde am 5. September im Rahmen der trilateralen Kontaktgruppe das „Protokoll über gemeinsame Schritte zur Umsetzung des Friedensplans des Präsidenten der Ukraine Porošenko und der Initiativen des Präsidenten Russlands V. Putin“ unterschrieben. Die Vereinbarungen sahen die Bildung einer 30 Kilometer breiten Demarkationszone und die Kontrolle der ukrainisch-russländischen Grenze durch OSZE-Vertreter vor; de facto stimmte die Ukraine zu, den Gebieten, die Anfang September unter die Kontrolle der „LNR“ und „DNR“ gelangt waren, das Recht auf Autonomie zu gewähren und gleichzeitig ihre Subventionierung nicht einzustellen. Der entsprechende Status sollte für drei Jahre gewährt und in kurzer Zeit demokratische Kommunalwahlen abgehalten werden. Das Protokoll wurde von Tagliavini, Kučma und Zurabov sowie von Plotnyc’kyi und Zacharčenko unterzeichnet, ohne jedoch die Positionen der beiden Letzteren und die von ihnen vertretenen, nicht anerkannten quasi-staatlichen Gebilde zu erwähnen. Als Ergänzung des Protokolls wurde am 19. September auch ein Memorandum unterzeichnet, in dem die Bedingungen des Waffenstillstands detailliert beschrieben wurde, einschließlich des Abzugs schwerer Ausrüstung, eines Verbots des Einsatzes von Kampfflugzeugen usw.
Die Minsker Vereinbarungen wurden in der ukrainischen Gesellschaft zwiespältig wahrgenommen. Die Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen in der Verchovna Rada wurde von hitzigen Diskussionen begleitet und fand unter persönlicher Beteiligung des Präsidenten der Ukraine statt. Um das erforderliche Ergebnis zu gewährleisten, wurde die parlamentarische Geschäftsordnung verletzt.
Gleichzeitig konnte Russland nicht mit den Ergebnissen der Militärkampagne im Frühjahr und Sommer 2014 zufrieden sein, gelang es doch nicht, den proeuropäischen Kurs der Ukraine zu stoppen. Daher zog sich Moskau aus den Minsker Vereinbarungen vom September zurück. Entlang der Trennlinie kam es ständig zu Militäreinsätzen geringer und mittlerer, in einigen Abschnitten auch hoher Intensität, insbesondere auf dem Flughafen Donec’k und im Industriegebiet der Stadt Avdiïvka (Gebiet Donec’k). Russland verstärkte seine Militärpräsenz in der Ostukraine und entsandte dorthin noch mehr erfahrenes Militärpersonal. Gleichzeitig begrenzte die Russländische Föderation den unkontrollierten Zustrom von „Freiwilligen“, die die separatistischen Kräfte nur desorganisierten. Darüber hinaus begann sie, die „Freiheit“ der Feldherren einzuschränken – einige von ihnen wurden liquidiert, andere auf russländisches Territorium gebracht.
Um eine „Staatsbildung“ zu simulieren, initiierte Russland am 2. November Wahlen der Vorsitzenden der „LNR“ und der „DNR“ sowie der „Parlamentsabgeordneten“ (die Ergebnisse dieser „Wahlen“ standen bereits im Voraus fest). Dies stand in direktem Widerspruch zu den Minsker Vereinbarungen. Dementsprechend fanden die für den 7. Dezember laut Gesetz der Ukraine „Über die vorläufige Regelung der kommunalen Selbstverwaltung in einzelnen Rayons der Gebiete Donec’k und Luhans’k“ vorgesehenen Kommunalwahlen nicht statt. Als Reaktion auf die von Russland initiierten „Wahlen“ in der Region setzte die Ukraine dieses Gesetz außer Kraft. Die Finanzierung von staatlichen Einrichtungen und die Subventionierung staatlicher Bergwerke in den separatistischen Gebieten wurden eingestellt. Um die besetzten Gebiete herum wurde der Bau von Befestigungslinien vorangetrieben. Und am 23. Dezember 2014 verabschiedete die Verchovna Rada mit einer Verfassungsmehrheit aufgrund der Aggression der Russländischen Föderation ein Gesetz zum Verzicht auf eine Politik der Blockfreiheit. Am 29. Dezember wurde das Gesetz vom Präsidenten der Ukraine Porošenko unterzeichnet.
Kampfhandlungen von Januar bis Februar 2015 und die „Minsker Vereinbarungen II“
In den ersten Tagen des Jahres 2015 nahmen die Spannungen im Donbas zu. Schwere Waffen, die gemäß den Minsker Vereinbarungen vom September abgezogen worden waren, wurden auf beiden Seiten an die Demarkationslinie zurückgebracht. Die nächsten Verhandlungsrunden, die in Minsk stattfanden und den Grundstein für den Gipfel im „Normandie-Format“ (geplant für den 16. Januar in Astana (Kasachstan)) legen sollten, zeigten keine Fortschritte. Russland bestand weiterhin auf direkten Gesprächen zwischen Kyïv und den Separatisten und bestritt seine Beteiligung an dem Konflikt. Stattdessen forderte die Ukraine, die Plotnyc’kyj und Zacharčenko als russländische Marionetten betrachtete, den Abzug der russländischen Truppen und die Rückgabe der Kontrolle über die Grenze an die ukrainischen Behörden.
Am 14. Januar beauftragte der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jacenjuk die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine und den SBU das Verfahren zur Einstufung der „DNR“ und „LNR“ als Terrororganisationen vorzubereiten. Volodymyr Hrojsman, Vorsitzender der Verchovna Rada, bestätigte seinerseits, dass die entsprechende Resolution im Parlament vorbereitet werde. Darüber hinaus appellierte der ukrainische Ministerpräsident an die internationalen Partner, ähnliche Änderungen in der eigenen nationalen Gesetzgebung vorzunehmen. Russland seinerseits bot an, die Demarkationslinie „anzupassen“ (am 16. Januar wandte sich Putin mit einem entsprechenden Brief an Porošenko, den Kyïv aber ohne offizielle Antwort ließ, da es der Meinung war, dass Russland zu den November-Vereinbarungen zurückkehren sollte). Kučma, der Vertreter der ukrainischen Seite in der trilateralen Kontaktgruppe, kam am 16. Januar nicht nach Minsk. All dies bedeutete die tatsächliche Beendigung der Minsker Vereinbarungen vom September. Die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen war nicht mehr zu vermeiden. Ein Zeichen dafür stellte vor allem die Intensivierung des Beschusses mit schwerer Artillerie durch Russland dar sowie Terroranschläge, unter anderem in den Städten Volnovacha (Gebiet Donec’k) und Mariupol’.
Der Präsident der Ukraine unterzeichnete ein Dekret für eine neue Welle der Teilmobilisierung zum 20. Januar. Und am 18. Januar erhielten ukrainische Truppen den Befehl, Präventivschläge gegen die Separatisten durchzuführen (zuvor waren diese nur als Reaktion erlaubt). In den Frontabschnitten in Donec’k, Horlivka und Debal’ceve sowie am Stadtrand von Mariupol’ verschärften sich die Kämpfe.
Die „DNR“ und die „LNR“ starteten mit Unterstützung des russländischen Militärs eine Offensive. Am 21. Januar verließen ukrainische Truppen unter Gefechten den Flughafen Donec’k. Das nächste Ziel der Separatisten war die Eroberung von Debal’ceve (heute eine Stadt im Rayon Horlivka des Gebietes Donec’k). Dieser große Eisenbahnknotenpunkt war wichtig für die Gewährleistung einer zuverlässigen Verkehrskommunikation zwischen der „LNR“ und der „DNR“. Darüber hinaus wurde Debal’ceve in den von den Separatistenmilizen kontrollierten Horlivka und Alčevs’k eingekeilt und drohte somit im Falle einer ukrainischen Offensive eingekesselt zu werden. Gleichzeitig war der „Debal’ceve-Vorsprung“ anfällig für Angriffe von drei Seiten. Die aktive Phase der Offensive der Separatisten begann am 27. Januar 2015. In der ersten Reihe befanden sich Formationen einheimischer Separatisten und russländischer Söldner, in der zweiten – „Urlauber“, d.h. reguläre russländische Truppen. Nach Schätzungen des Generalstabs der Streitkräfte der Ukraine waren allein im Bereich Debal’ceve acht taktische Bataillonsgruppen der Streitkräfte der Russländischen Föderation beteiligt. Die heftigen Kämpfe dauerten zwei Wochen.
Für den 11. Februar war in Minsk ein Gipfeltreffen im „Normandie-Format“ geplant. In diesem Zusammenhang wurde den Einheiten der russländischen Streitkräfte und den illegalen bewaffneten Formationen der Auftrag erteilt, Debal’ceve vor dem Minsker Treffen einzunehmen, was ihnen jedoch nicht gelang. Am Vorabend des Gipfels gab Porošenko eine öffentliche Erklärung ab, dass Kyïv sich von Moskau nicht erpressen lassen und keine Zugeständnisse bezüglich des Donbas machen werde, selbst wenn eine groß angelegte Invasion drohen sollte. Er kündigte außerdem an, dass im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen das Kriegsrecht verhängt werde, um alle Ressourcen für die Verteidigung des Landes zu mobilisieren.
Am 11. Februar dauerten die Verhandlungen im „Normandie-Format“ 16 Stunden, und am 12. Februar wurde der „Maßnahmenkomplex zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen“, genannt „Minsk-2“, unterzeichnet. Am 13. Februar, während der nächsten Verhandlungsrunde, sagte Putin, er habe Informationen über die Einkesselung ukrainischer Truppen in der Nähe von Debal’ceve. An diesem Tag verzeichneten ukrainische Experten einen zahlenmäßigen Anstieg der an der Offensivoperation beteiligten regulären russländischen Truppen, das heißt, sie wechselten von der zweiten Reihe der Offensivformationen in die erste. Dies lag daran, dass laut Minsk II ab dem 15. Februar ein Waffenstillstand hätte gelten sollen und die Stadt daher unter der Kontrolle der Ukraine hätte bleiben können. Am 14. Februar erließ der ukrainische Generalstab nach vorbereitenden Maßnahmen den Befehl zum organisierten Abzug der Einheiten in zwei Hauptrichtungen, wobei in eine andere Richtung der Abzug nur simuliert wurde. Infolgedessen ging Debal’ceve verloren, aber die ukrainische Armee konnte eine Niederlage verhindern.
Stellungskrieg
Trotz des Waffenstillstands kam es entlang der Kontaktlinie immer wieder zu Kampfhandlungen. Die heftigsten Kämpfe ereigneten sich im Juni 2015 in der Nähe der Stadt Mar’ïnka (heute Rayon Pokrovs’kyj, Gebiet Donec’k) und im Dezember 2016 auf dem Svitlodarer Bogen. Die ukrainischen Streitkräfte leisteten Widerstand gegen die Versuche der militanten Separatisten, das restliche Territorium der Gebiete Donec’k und Luhans’k schleichend zu besetzen. Die ukrainischen Einheiten wiederum versuchten, Schwachstellen in den Stellungen der Militanten zu finden. Aus militärischer Sicht entstand im Donbas im Allgemeinen eine Situation, in der die Ukraine über genügend Kräfte verfügte, um die Region von den Separatisten zu befreien, jedoch unter der Bedingung, dass reguläre Truppen der Russländischen Föderation nicht eingreifen würden. Offizielle russländische Vertreter bestritten kategorisch die Teilnahme ihrer Soldaten an Feindseligkeiten auf ukrainischem Staatsgebiet. Daher schlug die Ukraine vor, internationale Friedenstruppen zur Beilegung des Konflikts im Donbas einzubeziehen. Dann müsste Russland entweder seine „Urlauber“ abziehen oder sich selbst als Konfliktpartei anerkennen. Daher versuchte Russland, seine Herangehensweise zu ändern und separatistische Einheiten hauptsächlich aus lokalen Mobilisierungsressourcen zu bilden, was die totale Arbeitslosigkeit in der Region nur noch begünstigte. Allerdings waren die meisten Führungs- und Kommandopositionen in der Besatzungsverwaltung und den Militäreinheiten mit russländischen Staatsbürgern besetzt.
Den Minsker Vereinbarungen zufolge sollte es zu einem Austausch vorübergehend inhaftierter Personen nach dem Prinzip „Alle für alle“ kommen. Russland vereitelte dies jedoch ständig, weil es damit Druck auf die ukrainische Regierung ausüben wollte und sie zur Verabschiedung des Gesetzes über die Amnestie der militanten Separatisten zu zwingen, was auch im Minsk II-Abkommen vorgesehen war. Es bestanden keine politischen Bedingungen für die Verabschiedung des Amnestiegesetzes. Im Zuge der Verhandlungen der Trilateralen Kontaktgruppe wurde ein Kompromiss über den Austausch einiger vorübergehend inhaftierter Personen erzielt, doch die Militanten störten die Vereinbarungen wiederholt. Stattdessen führte Russland Schauprozesse gegen Ukrainer durch, die zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Große Aufmerksamkeit erregte der Prozess gegen Nadija Savčenko, eine Soldatin des Freiwilligenbataillons „Ajdar“. Aufgrund internationalen Drucks erklärte sich Russland dazu bereit, sie gegen zwei Mitarbeiter der Hauptverwaltung des militärischen Nachrichtendienstes des Generalstabs der russländischen Streitkräfte auszutauschen, die mit Waffen in der Hand im Donbas festgehalten wurden. Im Juni 2016 wurden zwei weitere ukrainische Staatsbürger ausgetauscht: Hennadij Afanas’ev (ein Krim-Bewohner, dem Terrorismus vorgeworfen wurde) und Jurij Sološenko (der 74-jährige ehemalige Direktor des Znamja-Werks in Poltava, der wegen Spionage verurteilt worden war).
Der Beginn des Jahres 2017 war von einer neuen Eskalation der Kampfhandlungen geprägt. Am 29. Januar starteten die Separatisten einen Angriff auf das Industriegebiet Avdiïvka. Der Angriff wurde abgewehrt, das ukrainische Militär rückte vor und bezog neue Stellungen.
Im Januar 2017 begann die „öffentliche“ (bürgerliche) Verkehrsblockade der ORDLO. Mit einer solchen Initiative trat eine Reihe von Abgeordneten auf, vor allem aus der Samopomič-Fraktion, sowie Veteranen der ATO. Sie forderten die Freilassung ukrainischer Kriegsgefangener und ein Ende des Schmuggels über die Demarkationslinie. Hochrangige Beamte der Ukraine sprachen sich zunächst gegen die Einstellung der Handels- und Transportverbindungen mit den besetzten Gebieten aus, da dies zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen und Risiken für das Energiesystem im von der Ukraine kontrollierten Gebiet des Donbas mit sich bringen würde. Gleichzeitig verabschiedete das Ministerkabinett der Ukraine am 11. Januar eine Verordnung, die die Forderungen der Demonstranten teilweise berücksichtigte. Unter anderem wurden folgende Aufgaben gestellt: Verstärkung des Kampfes gegen den Schmuggel über die Demarkationslinie; Schaffung „humanitärer Logistikzentren“ in der Nähe von Kontrollpunkten, wo die Bewohner der besetzten Gebiete lebenswichtige Güter kaufen können; Lösen rechtlicher Fragen im Zusammenhang mit der Wirtschaftstätigkeit ukrainischer Unternehmen in den besetzten Gebieten sowie Organisation administrativer und sozialer Dienstleistungen für die Bürger der ORDLO in Siedlungen in der Nähe der Demarkationslinie; Förderung der Ausbildung junger Menschen aus der ORDLO in ukrainischen Bildungseinrichtungen; Stärkung der Informationspräsenz der Ukraine in der Konfliktzone usw.
Die Transportblockade führte dazu, dass die Kohlereserven der ukrainischen Wärmekraftwerke auf ein kritisches Niveau sanken. Die Regierung war dazu gezwungen, in der Elektrizitätswirtschaft eine Notstandsregelung einzuführen, die es erlaubte, in mehreren Regionen der Ukraine die Verbraucher von der Stromversorgung zeitweise und abwechselnd abzuschalten. Einheiten des Innenministeriums der Ukraine versuchten mehrmals, Eisenbahnschienen zu deblockieren. Dies führte jedoch zu negativen Reaktionen in der Öffentlichkeit, die zu einer tiefen politischen Krise hätten führen können. So versuchten mehrere hundert Mitglieder radikaler Organisationen am 19. Februar im Rahmen einer Aktion anlässlich des dritten Jahrestages „Euromajdan“, auf dem Demonstranten zu Tode kamen, die Administration des Präsidenten der Ukraine zu blockieren. Es kam zu Zusammenstößen mit Polizeibeamten, ungefähr zehn Menschen wurden festgenommen (alle wurden am nächsten Tag freigelassen). Die politischen Anführer dieser Aktion – die Abgeordneten Volodymyr Parasjuk, Jehor Sobolev und Semen Semenčenko – versuchten, den Vorfall als Beginn des „neuen Majdans“ darzustellen. Ende Februar 2017 versuchte man, die Transportblockade von der Demarkationslinie mit den ORDLO-Gebieten auf andere Abschnitte der ukrainisch-russländischen Grenze auszudehnen. Das Koordinationszentrum der Blockadeaktion kündigte an, bis zum 2. April die acht wichtigsten Grenzübergänge der Eisenbahn blockieren zu wollen, über die russländische Waren importiert wurden, und versprach, Transitgüter- und Personenzüge ungehindert passieren zu lassen.
Als Reaktion auf die Verkehrsblockade führten die Separatistenführer am 1. März die „Verstaatlichung“ von ukrainischen Unternehmen durch, die auf dem Territorium der „DNR“ und der „LNR“ tätig waren. Der Erlass des Präsidenten der Russländischen Föderation Putin „Über die Anerkennung von Dokumenten und Kraftfahrzeugkennzeichen in der Russländischen Föderation, die an Bürger der Ukraine und Staatenlose mit ständigem Wohnsitz auf dem Territorium bestimmter Rayons der Gebiete Donec’k und Luhans’k ausgestellt wurden“, wurde zu einem zusätzlichen Druckmittel auf die Ukraine. Demnach wurden unter anderem die von der „DNR“ und „LNR“ ausgestellten „Pässe“ anerkannt, mit denen die Ein- und Ausreise nach Russland gestattet war.
Um eine politische Krise zu verhindern, machten die ukrainischen Behörden unter dem Druck der öffentlichen Meinung Zugeständnisse bei der Blockade der ORDLO. Am 16. März unterzeichnete der Präsident der Ukraine nach den Ergebnissen der Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungrats der Ukraine einen Beschluss über ein vorübergehendes Verbot des Warenverkehrs über die Demarkationslinie. Damit wurde die Blockade zur offiziellen Position der Ukraine und sollte von der Nationalgarde, der Nationalpolizei, den Steuerbehörden und unter Beteiligung des SBU durchgeführt werden. Doch auch nach diesem Beschluss erklärte Porošenko, dass sich die Blockade „als eine Sonderoperation herausstellte, mit der die besetzten Gebiete des Donbas nach Russland gedrängt würden“. Außerdem wurden auf der erwähnten Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungrats der Ukraine Sanktionen gegen russische Banken („Sberbank“, „VTB Bank“, „VS Bank“, „Prominvestbank“, „Bank der Stadt Moskau“) verhängt. Ihnen wurde verboten, die Gelder aus der Ukraine an die mit ihnen in Geschäftskontakt stehenden Personen zu transferieren. Ein Monat später, am 28. April, verabschiedete der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine einen Beschluss „Über die Anwendung persönlicher spezieller wirtschaftlicher und anderer restriktiver Maßnahmen (Sanktionen)“, der am 15. Mai durch den entsprechenden Erlass des Präsidenten der Ukraine in Kraft trat. Dieses Dokument fasste die bisherigen fünf Dekrete zusammen und erweiterte sie deutlich. Es wurden Sanktionen gegen 468 ukrainische und russländische Unternehmen sowie gegen 1 228 Einzelpersonen verhängt. Grundlegend neu dabei war die Einbeziehung russischer IT-Unternehmen – „Vkontakte“, „Mail.Ru Group“, „Yandex“ –, die beliebte soziale Netzwerke („Vkontakte“, „Odnoklassniki“ usw.) in der Ukraine betrieben. Dies geschah, um den russischen Informationseinfluss zu schwächen. Internetprovider mussten den Zugriff darauf für drei Jahre sperren. Allerdings wurde den Bürgern die Nutzung dieser Ressourcen nicht untersagt, und es war keine Haftung des Einzelnen für die Umgehung der Sperrung vorgesehen.
Der nächste Schritt zur Bekämpfung des russländischen Informationseinflusses war der Kurs zur Stärkung der Position der ukrainischen Sprache. Ende Mai 2017 verabschiedete die Verchovna Rada Vorschriften, die nationale und regionale Fernsehsender dazu verpflichteten, 75% der Inhalte auf Ukrainisch auszustrahlen, und für lokale Fernsehsender (auf Stadt- oder Rayonebene) wurde eine Quote von 60% festgelegt. Diese Normen betrafen die Hauptkategorien von Fernsehproduktionen: Nachrichten, Programme sowie Filme. Alle ausländischen Inhalte mussten auf Ukrainisch synchronisiert werden, mit Ausnahme sowjetischer Filme, für die nur ukrainische Untertitel erforderlich waren. Gleichzeitig wurde eine fast eineinhalbjährige Übergangsregelung eingeführt, damit sich die Fernsehanstalten an die neuen Bestimmungen anpassen konnten.
Um das Eindringen russländischer Kämpfer und Agenten einzudämmen, wurde de facto eine Visaregelung für russländische Staatsbürger eingeführt. Mit dem Dekret des Präsidenten der Ukraine wurde die Entscheidung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine umgesetzt, mit der die Russländische Föderation in die Liste der Länder mit Migrationsrisiko aufgenommen wurde. Russländische Bürger konnten daher nur mit ausländischen biometrischen Pässen in die Ukraine einreisen.
Änderung der Form des bewaffneten Widerstands gegen die Aggression
Mitte 2017 wurde deutlich, dass die Anti-Terror-Operation (ATO) im Donbas nicht der offiziellen Position der Ukraine in Bezug auf zwischenstaatlichen Charakter des Konflikts mit Russland entsprach. Im Juli 2017 wurde der Gesetzentwurf „Über die Besonderheiten der Staatspolitik zur Wiederherstellung der staatlichen Souveränität der Ukraine über die vorübergehend besetzten Teile der ukrainischen Gebiete Donec’k und Luhans’k“ veröffentlicht. Das Gesetz wurde vom Nationalen Sicherheits- und Verteidigungrat der Ukraine auf Initiative seines Sekretärs Turčynov vorbereitet. Journalisten zufolge sollte das Dokument am 19. Juli dem Sicherheitsrat zur Prüfung vorgelegt werden, die Sitzung wurde jedoch verschoben, wie Turčynov erklärte, aufgrund „der Notwendigkeit zusätzlicher Konsultationen mit unseren strategischen Partnern“. Der aktualisierte Gesetzesentwurf wurde dem Parlament im Oktober 2017 vom Präsidenten als Dringlichkeitsentwurf vorgelegt und im Februar 2018 verabschiedet. Darin wurde klargestellt, dass es sich bei den ORDLO-Gebieten um vorübergehend von Russland besetzte Gebiete handelt. Das Gesetz erweiterte auf sie die Normen des Gesetzes der Ukraine „Über die Gewährleistung der Rechte und Freiheiten der Bürger und über die Rechtsordnung im vorübergehend besetzten Gebiet der Ukraine“, das für die AR Krim und die Stadt Sevastopol’ galt. Die wichtigste Neuerung war die Umwandlung der ATO in die Operation der Vereinigten Streitkräfte (ukr.: Operacija ob’yednanych syl, OOS) – dies bedeutete die Übertragung der strategischen Führung von dem SBU an den Generalstab der Streitkräfte der Ukraine, was auch am 30. April 2018 umgesetzt wurde. Damit wurde die offizielle Position der Ukraine bekräftigt, dass es sich bei dem Konflikt im Donbas um eine zwischenstaatliche militärische Auseinandersetzung handelt. Die OOS stand unter dem Kommando von Serhij Nayev (seit dem 16. März 2018), Oleksandr Syrs’kyj (seit dem 6. Mai 2019), Volodymyr Kravčenko (seit dem 5. August 2019), Oleksandr Pavljuk (seit dem 28. Juli 2021).
Im Oktober 2017 verlängerte das Parlament das Gesetz über den Sonderstatus der ORDLO, das ursprünglich gemäß den Verpflichtungen nach den Minsker Vereinbarungen vom September 2014 verabschiedet worden war. Dasselbe erfolgte im Oktober 2018, als das Gesetz bis zum 31. Dezember 2019 verlängert wurde. Das Ziel bestand darin, Russland keine Argumente zu liefern, dass die Ukraine ihren internationalen Verpflichtungen nicht nachkomme, wodurch Russland eine Abschwächung des Sanktionsdrucks hätte erreichen können. Ende Dezember 2017 fand ein Austausch vorübergehend inhaftierter Personen statt: Die Ukraine überstellte 233 Personen nach Russland und bekam 73 ukrainische Staatsbürger aus der ORDLO zurück.
Im Zeitraum von 2017 bis 2018 wechselte Russland die ORDLO-Führung. Im November 2017 wurde Plotnyc’kyj, „Oberhaupt der Volksrepublik Luhans’k“, abgesetzt. Er befand sich in einem Machtkampf mit der Führung der militanten Separatisten, schätzte seine Möglichkeiten falsch ein und wurde gezwungen, nach Russland zu fliehen. Der amtierende „Minister für Staatssicherheit“ Leonid Pasičnyk, ein ehemaliger Mitarbeiter des SBU, wurde zum „amtierenden Oberhaupt der Volksrepublik Luhans’k“. Am 31. August 2018 starb Zacharčenko, Anführer der „DNR“, im Zentrum von Donec’k an den Folgen einer Explosion. Russländische und separatistische Medien versuchten, die Ukraine für die Durchführung des Terroranschlags verantwortlich zu machen, doch Beweise dafür wurden nicht vorgelegt. Nach einer kurzen Konfrontation hinter den Kulissen übernahm Denis Pušylin die Führung der prorussländischen Separatisten. Um die neuen ORDLO-Anführer zu legitimieren, wurde am 11. November 2018 eine weitere illegitime Wahl abgehalten, aus denen die von Russland ernannten Pušylin und Pasičnyk als „Sieger“ hervorgingen. Ebenso wurde die Zusammensetzung von „Volksräten“ erneuert.
Die Kerč-Krise
Seit dem Frühjahr 2017 war im Schwarzen und Asovschen Meer eine zunehmende Eskalation zu beobachten. So wurde im Bereich des Odesa-Gasfeldes ein Militärtransportflugzeug der Marine der Ukraine von einer zuvor durch Russland eroberten Bohrplattform (55 km von der Insel Zmiïnyj und 100 km von Odesa entfernt) mit leichten Waffen beschossen. Ein neuer Spannungspunkt entstand durch den illegalen Bau einer Brücke über die Straße von Kerč, von der Taman’-Halbinsel bis zur vorübergehend besetzten Krim. Der erste Teil der Brücke wurde im Mai 2018 in Betrieb genommen. Das Höhenmaß von 35 Meter erlaubte es den Schiffen der „Panamax“-Klasse nicht, unter der Brücke hindurchzufahren (ihre Höhe von der Wasserlinie bis zum höchsten Punkt beträgt 58 Meter), mit denen Frachten aus den Häfen Berdjans’k und Mariupol’ abtransportiert wurden.
Dann gab es mehrere Konflikte um die Fischereischiffe. Ende März 2018 hielten ukrainische Grenzschutzbeamten im Asovschen Meer das im Hafen von Kerč registrierte Schiff „Nord“ fest, dessen Nutzung von der Ukraine aufgrund der Besetzung der Krim durch Russland verboten war. Gleichzeitig betrachtete die Ukraine die Besatzung des Schiffes als ukrainische, im vorübergehend besetzten Gebiet wohnende Staatsbürger, die gegen die ukrainischen Gesetze, d.h. gegen die Ausreisebestimmungen, verstoßen haben. Darüber hinaus wurde ihnen illegale Wirtschaftstätigkeit vorgeworfen. Als Reaktion darauf hielt Russland im Schwarzen Meer in der Nähe von Kap Tarchankut ein ukrainisches Schiff wegen mutmaßlichen illegalen Fischfangs in der „ausschließlichen Wirtschaftszone der Russländischen Föderation“ fest.
Im Mai sperrte Russland einen Teil des Asovschen Meeres ganz in der Nähe der ukrainischen Küste, angeblich wegen geplanter Schussübungen. Als Reaktion darauf erklärte die Ukraine einen Teil des an Russland angrenzenden Wassergebiets zur Zone ständiger Militärübungen. Der nächste Anlass für die Eskalation war Russlands Einschränkung der Durchfahrt von Schiffen durch den Kerč-Jenikal’-Kanal von und zu den ukrainischen Häfen Berdjans’k, Henyčes’k und Mariupol’ unter dem Vorwand, die Sicherheit der Schifffahrt und der Krimbrücke gewährleisten zu müssen. Dafür wurden 35 Kampfboote aus dem Kaspischen Meer überführt, die ukrainische Sabotageangriffe auf die Brücke angeblich verhindern sollten.
Im Gegenzug beschloss die Ukraine, ihre militärische Präsenz im Asovschen Meer sowie die Küstenwache zu verstärken und an der Küste einen Marinestützpunkt zu errichten. Zu diesem Zweck wurden zunächst zwei Artillerieboote, „Lubny“ und „Kremenčuk“ (vom Typ „Hjurza“), auf dem Landwege nach Berdjans’k überführt. Im September 2018 wurden der Schlepper „Korejec’“ und das Such- und Rettungsschiff „Donbas“ von Odesa aus durch die Straße von Kerč ins Asovsche Meer verlegt. Die ukrainische Besorgnis wurde auf internationaler Ebene unterstützt: Im Oktober verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, in der das Vorgehen Russlands im Asovschen Meer in Form von Totalinspektionen ziviler Schiffe verurteilt wurde.
Am 25. November destabilisierte sich die Lage dramatisch. Die ukrainische Schiffsgruppe, zu der drei Schiffe gehörten (zwei kleine gepanzerte Artillerieboote „Nikopol’“ und „Berdjans’k“ und der Schlepper „Yany Kapu“), versuchte, durch die Straße von Kerč in das Asovsche Meer zu gelangen. Die russländische Seite verhinderte dies: Die Durchfahrt unter der Krimbrücke wurde durch zivile Schiffe blockiert, während russländische Militärschiffe versuchten, den ukrainischen Schlepper zu rammen. Artillerieboote wurden scharf beschossen, mehrere ukrainische Matrosen erlitten Verletzungen. Als sie versuchten, nach Odesa zurückzukehren, wurden die Schiffe von russländischen Spezialeinheiten gekapert und nach Kerč eskortiert. Insgesamt wurden 24 ukrainische Armeeangehörige (22 Besatzungsmitglieder und 2 SBU-Mitarbeiter) von den Russen festgenommen und nach Moskau gebracht. Später begann in der Russländischen Föderation gegen sie ein Prozess wegen „illegalem Grenzübertritt“, während die Ukraine sie als Kriegsgefangene betrachtete. Alle Versuche, die gefangenen Matrosen auszutauschen, blieben erfolglos. Putin wollte grundsätzlich keine Zugeständnisse an Porošenko machen. Der Austausch fand erst im September 2019 statt, also bereits zu Beginn der Amtszeit des neuen Präsidenten der Ukraine Volodymyr Zelens’kyj.
Am Abend des 25. November berief Petro Porošenko dringend das Kriegskabinett ein. Die Streitkräfte der Ukraine wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Anschließend fand eine Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungrats der Ukraine statt, bei der beschlossen wurde, das Kriegsrecht einzuführen, jedoch „ohne allgemeine Mobilmachung und ohne Einschränkung der verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten der Bürger“. Am nächsten Tag unterstützte die Verchovna Rada nach einer hitzigen Debatte (einige Fraktionen beschuldigten Porošenko, dass er versuche, die Präsidentschaftswahlen abzusagen) die Einführung des Kriegsrechts, beschränkte es jedoch auf zehn Regionen der Ukraine (Vinnycja, Odesa, Mykolaïv, Cherson, Zaporižžja, Donec’k, Luhans’k, Charkiv, Sumy, Černihiv), die an Russland und an die nicht anerkannte „Transnistrische Moldauische Republik“ grenzten oder Zugang zum Schwarzen und zum Asovschen Meer hatten. Auch in den „inneren Gewässern der Ukraine in der Region Asov-Kerč“ wurde das Kriegsrecht verhängt. Darüber hinaus wurde es nicht für 60, sondern für 30 Tage – bis zum 27. Dezember – eingeführt, was einen reibungslosen Beginn des Wahlprozesses ermöglichte.
Die internationale Gemeinschaft unterstützte die Ukraine beim Vorfall in der Meerenge von Kerč. Die EU verlängerte das Sanktionspaket gegen Russland. Die NATO verstärkte ihre militärische Präsenz im Schwarzen Meer und erhöhte die Zahl der Marineübungen. Das Europäische Parlament verabschiedete eine Resolution, in der es den Bau der Krimbrücke als illegal und umweltgefährdend bezeichnete, die Blockierung der Schifffahrt und Inspektion von Schiffen im Asovschen Meer verurteilte und seine Besorgnis über die Militarisierung des Asovschen Meeres durch Russland sowie die Illegalität der Öl- und Gasförderung durch Russland in der ausschließlichen ukrainischen Wirtschaftszone am Schwarzen Meer zum Ausdruck brachte. Dieses Dokument enthielt auch einen Aufruf an die OSZE, die Überwachungsmission in der Region des Asovschen Meeres zu verstärken, und die Forderung, europäische Unternehmen zu bestrafen, die am Bau der Krimbrücke beteiligt waren.
Vor dem Hintergrund des Kriegsrechts legte der Präsident der Ukraine einen Gesetzesentwurf „Über die Beendigung des Vertrags über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen der Ukraine und der Russländischen Föderation“ vor. Dieser Schritt wurde vom Parlament unterstützt, sodass das Abkommen zum 1. April 2019 entsprechend internationalen Normen seine Gültigkeit verlor. Im Gegenzug verhängte Russland Ende Dezember 2018 Sanktionen gegen 68 ukrainische Unternehmen und 322 ukrainische Staatsbürger. Am Vorabend der zweiten Runde der ukrainischen Präsidentschaftswahlen, am 18. April, kündigte die russländische Regierung ein neues Sanktionspaket an, wonach zum 1. Juni 2019 Beschränkungen bei der Lieferung von Öl und Erdölprodukten, Kohle, Koks usw. aus Russland eingeführt wurden. Darüber hinaus wurde der russländische Markt auch für bestimmte ukrainische Warengruppen im Gesamtwert von 250 Millionen Dollar geschlossen. Und unmittelbar nach der 2. Wahlrunde, am 24. April, unterzeichnete Putin ein Dekret, das die Erteilung der russländischen Staatsbürgerschaft an Einwohner der ORDLO vereinfachte. Diese Schritte waren gegen den neuen ukrainischen Präsidenten gerichtete Druckmittel, die ihn zu Zugeständnissen gegenüber Russland zwingen sollten. Im Wesentlichen jedoch richtete Moskau sein Augenmerk darauf, Druck auf ökonomischem Gebiet auszuüben.
Nach den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine im Jahr 2019 war eine gewisse Bewegung im politischen und diplomatischen Dialog rund um den Konflikt im Donbas zu beobachten. Zum Stein des Anstoßes wurde aber die Reihenfolge der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen. Russland suchte die Zustimmung der Ukraine zur Abhaltung außerordentlicher Kommunalwahlen in den ORDLO-Gebieten noch vor dem Abzug illegaler Militärformationen und Besatzungstruppen (die sogenannte Steinmeier-Formel – ein Aktionsalgorithmus, der im Herbst 2016 vom damaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagen worden war und auf den sich alle Teilnehmer des „Normandie-Formats“ geeinigt hatten). Da diese Vorgehensweise für die Ukraine grundsätzlich inakzeptabel war, befürwortete sie eine Revision der Minsker Vereinbarungen. Das strategische Ziel Russlands bestand darin, die ORDLO an die Ukraine unter der Bedingung zurückzugeben, dass der verfassungsmäßige Status dieses Staatsgebietes es ermöglicht, die europäische und euroatlantische Integration des Landes zu blockieren und das Land im russländischen Einflussbereich zu halten.
Die Verluste der Ukraine durch die militärische Aggression Russlands im Donbas
Nach Angaben der UN-Überwachungsmission, die im Januar 2019 veröffentlicht wurden, wurden von April 2014 bis Dezember 2018 auf beiden Seiten der Demarkationslinie 12 800 bis 13 000 Menschen getötet. Unter ihnen waren 4 000 ukrainische Soldaten, 5 500 bewaffnete prorussländische Kämpfer (die Anzahl getöteter russländischer Militärs wird geheim gehalten – in Russland sind diese Daten ein Staatsgeheimnis) und 3 300 Zivilisten aus dem Donbas. Außerdem wurden zwischen 27 000 und 30 000 Menschen verwundet.
Aufgrund der russländischen Aggression ist ein äußerst akutes Problem mit erzwungenen Binnenmigrationen entstanden. Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (unter Berufung auf das Ministerium für Sozialpolitik der Ukraine) gab es im Februar 2015 (Ende der aktiven Phase der militärischen Konfrontation) in der Ukraine 980 000 Binnenvertriebene von der Krim und aus dem Donbas. Darüber hinaus suchten weitere 600 000 Menschen Zuflucht in anderen Ländern – Russland, Weißrussland, Moldova, Polen, Ungarn und Rumänien.
Solange die Besetzung der ORDLO andauert, ist es ziemlich schwierig, das volle Ausmaß des Schadens zu beziffern, den Russland der Bevölkerung, der Volkswirtschaft, der Infrastruktur und der Umwelt zugefügt hat. 2013 erwirtschafteten die Unternehmen der besetzten Gebiete etwa 15% des ukrainischen BIP (oder 240 Milliarden UAH pro Jahr). Jetzt gehen die Wirtschaftszahlen in den ORDLO-Gebieten stetig zurück und die Wirtschaft bricht zusammen. Aufgrund des Verfalls der Infrastruktur steigt das Risiko von Umweltkatastrophen, deren Folgen auch andere Regionen der Ukraine betreffen können. Ein weiteres akutes Problem, das noch über Jahrzehnte bestehen bleiben wird, ist die Minenräumung auf großen Flächen: Nach Schätzungen der UN gehört der Osten der Ukraine zu einer der am stärksten verminten Regionen der Welt. Generell verwandeln sich die besetzten Gebiete rasch in eine stark kriminalisierte Zone.
Literatur
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Aus dem Ukrainischen übersetzt
von André Böhm, Recklinghausen und Dmytro Myeshkov, Lüneburg